Am vergangenen Samstag (26.06.) fand in Beuthen die Premiere des Films „Beuthen 1945. Tragische Kindheit in Oberschlesien“ statt. Der Film wurde produziert vom DFK Beuthen und ist die Aufzeichnung von Zeitzeugenberichten von Menschen, die 1945 Kinder im unterschiedlichen Alter, zwischen einem und 14 Jahren, waren. Dank jahrelanger Bemühungen um die Geschichte, die jahrzehntelang verborgen blieb, wissen wir (obwohl immer noch nicht aus Schulbüchern) von den Nachkriegslagern für Deutsche, von Deportationen in die Sowjetunion, von Tausenden vergewaltigter Frauen, von Plünderern …, aber immer wieder erfahren wir in Berichten von Ereignissen, die einen neuen Blick auf die damalige verbrecherische Zeit des Nachkriegsfriedens bieten.
In einem Dorf bei Beuthen fand ein Tanzabend statt, bei dem die Jugend im freudigsten Moment das deutsche Lied anstimmte „Schön ist die Jugend”. Dann passierte es blitzschnell: Jemand denunzierte die jungen Menschen bei der Miliz, die auch kam, sich aber wegen der Überzahl der Dorfbewohner beim Tanzabend schnell wieder zurückziehen musste. Leider sind die Milizionäre in der Nacht zu einem jungen Teilnehmer des Tanzabends gekommen und haben ihn zur Wache transportiert, wo sie ihn nach mehrstündiger Folter umgebracht haben. Einige Tage später wurde das von der Miliz streng bewachte Begräbnis des jungen Mannes zu einer Demonstration der Menschenmenge, die beim Herablassen des Sargs in das Grab das Lied „Schön ist die Jugend” anstimmte. Ein Lied, das nicht nur seine Jugend, sondern auch sein Leben beendet hatte.
Ich bekam Gänsehaut, als ich diesen Bericht im Beuthener Film gehört habe. Und das zeigt, dass wir weiterhin die Pflicht haben, die Zeitzeugenberichte zu sammeln. Meine Überzeugung bestärkte auch mein Besuch des Berliner Dokumentationszentrums „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, in dem vielleicht solche Berichte existieren, aber nicht in die Ausstellung übernommen wurden. Und wenn nicht, bleiben sie weiterhin im Verborgenen, zugänglich nur für Wissenschaftler und Hobbyhistoriker, aber nicht für die breite Öffentlichkeit. Die Zeit vergeht und man muss die Berichte sammeln.
Aber noch eines wurde in diesen Berichten sichtbar. Die meisten von ihnen wurden auf Polnisch oder Schlesisch aufgenommen, doch aus allen hörte man die authentische deutsch-oberschlesische Identität heraus. Dieses unzertrennliche Band, das heute in Schlesien viele Gegner hat, zeigt sich in den Berichten als etwas so Natürliches wie die Luft, die wir atmen.
Und zum Schluss: Das Lied, das den jungen Schlesier das Leben gekostet hatte, entstand ca. 1820 im hessisch-thüringischen Grenzgebiet, es wird aber im gesamten deutschen Kulturkreis gesungen. Auch in Schlesien, Pommern, Ermland oder Masuren. Auch heute noch.
Bernard Gaida