In einer Woche endet die Volkszählung, die für alle Bewohner Pflicht, aber nicht für alle ähnlich wichtig ist. Für die Deutschen in Polen hat sie eine enorme Bedeutung. Denn hierzulande hängt von der Zahl der Mitglieder einer nationalen Minderheit ab, ob z. B. zweisprachige Ortsschilder in den Gemeinden aufgestellt werden.
Wie es in Europa oft der Fall ist, gibt es einen Konsens darüber, dass solche Volkszählungen zur Erhebung statistischer Daten alle paar Jahre stattfinden, aber die Art, wie man sie durchführt, bleibt jedem Land überlassen, so auch die Fragestellungen. Es gibt daher Länder wie Deutschland, wo die Frage nach der Nationalität nicht gestellt wird, und dort wo die Frage auftaucht, ist die Methodik unterschiedlich. Daher sind auch die erhobenen Daten nicht vergleichbar.
In Rumänien wird die Nationalität aus einem vorgegebenen Katalog von Antworten angegeben, was eine regionale Identität ausschließt, in Polen dagegen kann man die Identität völlig frei angeben. Vor kurzem beneidete ein Aromune aus Rumänien die Minderheiten in Polen wegen dieser Freiheit, denn seine aromunische Identität steht nicht auf der Liste, aus der er wählen muss. Zu dieser freien Methode äußerte sich ein Deutscher aus dem rumänischen Siebenbürgen dagegen kritisch. Er meinte, diese Freiheit könnte vom Staat dazu genutzt werden, sich der kostspieligen Minderheitenpolitik zu entledigen. Wenn statt einer deutschen Minderheit Siebenbürger, Banaterschwaben oder Sathmareschwaben sowie weitere regionale Identitäten auftauchen würden, wäre die deutsche Sprache für keine von ihnen die „Sprache des Herzens“, denn das wäre ihr regionaler Dialekt. Und wenn das so wäre, dann entfiele die Begründung für die Aufrechterhaltung des Schulsystems vom Kindergarten bis zur Hochschule mit Deutsch als Unterrichtssprache. Die Dialekte dagegen wären ein Zusatz in der normalen rumänischen Schule. Ein Rückschritt wäre damit komplett.
Ähnlich könnte es anderen Volksgruppen ergehen und die Folge wäre die Erkenntnis, dass eine so weitgehende Zerstreuung eine reale Minderheitenpolitik unmöglich mache… und damit bliebe sie nur auf dem Papier. Sowohl in den einzelnen Ländern als auch auf europäischer Ebene. Zum Glück existiert in Polen eine offene Liste, die die Möglichkeit gibt, sowohl die deutsche Nationalität als auch eine weitere Identität anzugeben, darunter auch eine regionale, wie z. B. in Schlesien. Ich habe mehrmals an dieser Stelle des „Wochenblatt.pl“ dazu aufgerufen, klar die deutsche Nationalität anzugeben, auch wenn man sie durch das Schlesische ergänzt haben will.
In Kürze endet die Volkszählung 2021. Dann bleibt nur, auf die Ergebnisse und die Folgen zu warten. Wir werden stärker oder schwächer sein. Ein der Minderheitenpolitik negativ gegenüberstehender Staat hat es lieber, wenn diese schwächer und zerstreut sind.
Bernard Gaida