Bereits im Jahr 2019 appellierten wir an polnische Politiker in der Resolution des VdG, nach 100 Jahren der Haltungen beider oberschlesischen Seiten des Konflikts zu gedenken und trotz Abwesenheit der eingeladenen Politiker legten wir konsequent Kränze an Gräbern deutscher und polnischer Gefallener nieder, sowohl im Mai, Juni als auch am 5. Juli dieses Jahres, während der ersten Jubiläumsfeierlichkeiten zum Ende der Kampfhandlungen des Jahres 1921. Wieso wir, schlesische Deutsche, ab diesem Jahr gerade dieses Ereignis feiern wollen, versuchte ich in meiner Rede bei der Eröffnung der Ausstellung des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit im Pilgerheim auf dem St. Annaberg zu erklären. Ich sagte: „Wir sind zu der Ansicht gekommen, dass es Zeit ist, um in Ruhe die ganze Geschichte zu erzählen und die Opfer nicht nach ihrer Nationalität oder gewählten Option zu bewerten. Wir haben entschieden, dass wir selbst, als Deutsche, deutsche Schlesier, über den Gräbern der Opfer nicht über deren Recht oder Unrecht streiten, sondern mit gesenktem Haupt aller gedenken werden. (…) Wir wissen, dass wir damit im Unterbewusstsein eingeprägte Stereotypen aufbrechen, doch uns kommt das Christentum mit den Zehn Geboten und dem Wertesystem zu Hilfe, das verlangt, Blutvergießen und Verbrechen zu verdammen und sich dem zuzuwenden, was Frieden und Eintracht bringt. (…) Wir haben entschieden, im Gegensatz zu der vor 100 Jahren beschlossenen Konzeption den Ausbruch des Dritten Aufstandes, also den Beginn des Konfliktes, des Blutvergießens auch unter Brüdern zu feiern, im Gebet dafür zu danken, dass das Töten aufgehört hatte, dass die Polen zurück nach Polen, die Bayern zurück in ihre Heimat gingen und die zurückgebliebenen Schlesier, obwohl sie die größten Verlierer gewesen sind, sich wieder friedlich verständigen mussten.“
Leider wurde unsere Bitte nicht verstanden, worauf ein Schreiben an mich von Minister Jarosław Sellin hinweist, der nur die „polnische Erinnerungspolitik“ unterstreicht. Über diese Erinnerungspolitik sagte ich: „Solide Historiker, die heute befreit vom Korsett „der bestellten Wahrheit“ in der Zweiten Polnischen Republik, die in der Volksrepublik übernommen wurde und noch heute zu oft unreflektiert in der Dritten Republik wiedergegeben wird, haben bereits bewiesen, dass „der spontane Aufstand des schlesischen Volkes“ ein Mythos ist, dem die Form der Feierlichkeiten, Gedenkveranstaltungen und Lehrbücher unterstellt werden.“
Die Zeit vergeht und irgendwann muss die polnische Erinnerungspolitik in Oberschlesien erkennen, dass „für einige diese Ereignisse zum Sieg der polnischen Option und der Angliederung eines weiteren Teils Deutschlands an Polen führten, für andere eine bis heute andauernde Teilung unter den Schlesiern, den Verlust der Heimat, den Beginn der institutionalisierten Polonisierung bedeuten. (…) Doch wir warten nicht passiv, sondern gehen aktiv voran und initiieren Kranzniederlegungen auf den Gräbern Lemberger Kadetten und deutscher Verteidiger Oberschlesiens“. Vielleicht wird eines Tages der Glaube an die Mythen in Polen geringer und die vereinte Erinnerung wird zum Standard.
Bernard Gaida