Drei Glocken, die 180 bis 200 Jahre im Ermland zur Ehre Gottes erklangen, sind wieder in die Ursprungsgemeinden zurückgekehrt. Initiator ist das Bistum Rottenburg-Stuttgart.
Der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dr. Gebhard Fürst, hatte vor gut einem Jahrzehnt bei einer Besichtigung festgestellt, dass eine Glocke aus dem Rottenburger Dom aus einer Kirche im Sudetenland stammt. 2011 erfolgte die Rückgabe. Er ließ daraufhin die Herkunft aller Kirchenglocken in seinem Bistum erforschen und rief das Projekt „Friedensglocken für Europa“ aus. Sein Ziel, die Glocken sollen wieder in den Kirchen läuten für die sie gegossen wurden – vorausgesetzt, dass die heutigen Gemeinden sie wieder aufnehmen wollen.
Drei Glocken, die aus Kirchen im Ermland stammen, hat Bischof Fürst nun im Rahmen einer Delegationsreise mit Vertretern aus seinem Bistum und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann am letzten Juni-Wochenende im feierlichem Rahmen zurückgegeben. Es sind die Glocken der ehemaligen Pfarrkirche St. Nikolaus in Frauenburg (Frombork), aus St. Johannes Evangelist in Siegfriedswalde (Żegoty) und St. Katharina in Dietrichsdorf (Straszewo) südlich von Marienburg (Malbork). Die Teilnahme von Winfried Kretschmann hatte der Vorsitzende der Ermlandfamilie, Norbert Block, am Rande des Katholikentages 2022 in Stuttgart initiiert. Der baden-württembergische Regierungschef war von dem Projekt sofort begeistert, nicht zuletzt deshalb, weil er familiäre und emotionale Verbindungen mit der Heimat seiner Eltern hat.
Die Nationalsozialisten hatten in den 1940er Jahren insgesamt mehr als 100.000 Glocken beschlagnahmt, um sie der Rüstungsindustrie zuzuführen und den Kirchen zu schaden. „Das Ausmaß der Glockenvernichtung ist kaum vorstellbar. Allein aus unserer Diözese sind in den Kriegsjahren 2799 Kirchenglocken zerstört worden“, sagt Projektleiter Dr. Hans Schnieders von der Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Bei Kriegsende blieben bundesweit auf Sammellagern gerade noch etwa 16.000 Glocken erhalten, teils mit erheblichen Schäden. Die meisten wurden in den Folgejahren an ihre Heimatgemeinden zurückgegeben. Nur für rund 1300 Glocken aus den ehemals deutschen Ostgebieten, die auf dem so genannten „Glockenfriedhof“ im Hamburger Hafen lagerten, lehnte die britische Militär-Regierung eine Freigabe ab. Sie wurden ab 1950 Kirchengemeinden im damaligen Westdeutschland zugewiesen.
Schnieders hat sich auf Spurensuche dieser Glocken in der Diözese begeben und Hinweise zu deren Entstehung beispielsweise auf Inschriften entdeckt: „Sie enthalten oft Ortsnamen, Patrozinien, Stifter- oder Gießernamen, Gussorte und Gussjahre und lassen so meist sehr enge Bezüge zu den Gemeinden erkennen, für die sie ursprünglich gegossen worden sind.“
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