Wie die meisten von uns, schreibe ich diese Zeilen erschüttert über das Ausmaß der Hochwasserkatastrophe in Südschlesien. Zusätzlich zu den Nachrichten, die ich lese und sehe, den Bildern im Fernsehen und den Fotos in den sozialen Medien, habe ich direkte Berichte aus Seitenberg (Stronie Śląskie). Dort hat die Katastrophe offenbar ihr größtes Ausmaß erreicht, dort hat die Strömung ganze Häuser im Zentrum mitgerissen, dort wurde die Polizeistation vom Wasser weggespült, dort wird heute nach mehreren vermissten Personen und Familien gesucht.
Doch der Bericht eines Menschen, der Tag und Nacht vor Ort ist, vermittelt, was auf den Fotos nicht zu sehen ist. Die Gesichter von Menschen, deren Leben zusammengebrochen ist und die nicht nur auf ihre Häuser blicken, sondern auf ihren Platz unter der Sonne, der nicht mehr zu existieren scheint, so wie sie ihn ihr Leben lang kannten. Das Fehlen von Strom und Wasser, die mangelhafte Koordinierung der Dienste, die Untätigkeit der entsandten militärischen Amphibientruppe, die zerstörten Brücken, die fehlende Kommunikation mit der Welt – all das wird in diesen ersten Tagen mit einer Art beunruhigender Resignation aufgenommen. Das Ausmaß der Überschwemmungen nimmt weiter zu. Es ist nicht nur das Glatzer Land, sondern auch die Regionen um Teschen und Bielitz, Oppeln, aber auch Hirschberg und Löwenberg. Auch tschechische Gebiete in Schlesien sind von den Fluten betroffen. Ebenso wird aus der Slowakei, Rumänien, Moldawien und der Ukraine über Hochwasser berichtet. Weite Teile dessen, was wir als Mitteleuropa definieren, sind heute durch das Schicksal von Menschen verbunden, die ihre Sicherheit, ihr Eigentum und sogar ihr Leben verloren haben.
Mitteleuropa war einst bekannt für die Vermischung der Kulturen und Sprachen, insbesondere für die Verbreitung der deutschen Sprache. Trotz der ethnischen Säuberungen der Nachkriegszeit, von denen vor allem die dort lebende deutsche Bevölkerung betroffen war, hat es sich nicht in ein Konglomerat monoethnischer Staaten verwandeln lassen. Deshalb leben in den betroffenen Regionen auch heute noch viele nationale und ethnische Minderheiten, darunter auch Deutsche. Daher die Solidaritätsbekundung der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN), der größten europäischen Organisation nationaler Minderheiten, und der Aufruf zur Hilfe und Solidarität der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM), in dem wir die Kontonummern der Konten veröffentlichen, die unsere Mitgliedsorganisationen VdG in Polen und sn:lv: in Tschechien zur Unterstützung der Flutopfer eingerichtet haben. Sie sind auf der Website der AGDM (auf FB und Instagram) und auf den Websites dieser Organisationen leicht zu finden. Lasst uns großzügig sein und uns, wenn wir können, an der Hilfe vor Ort beteiligen, aber denkt daran, dass viele diese Hilfe nicht nur materiell und nicht nur heute, sondern lange nach der Flut brauchen werden. Möge der Mensch dem Menschen ein Bruder sein!
Bernard Gaida