Grußwort des Sprechers der AGDM in der FUEN Bernard Gaida zur 55. Verbandsratssitzung des VdG

Grußwort des Sprechers der AGDM in der FUEN Bernard Gaida zur 55. Verbandsratssitzung des VdG

Meine Damen und Herren,

lieber Rafał Bartek und alle Vorstandsmitglieder,

Zuallererst möchte ich meine Freude darüber ausdrücken, erneut hier in Annaberg zu sein, obwohl Peter Jesske heute fehlt. Wir haben bereits unseren ehemaligen Vorsitzenden Friedrich Petrach zu Grabe getragen, und gestern erfuhr ich mit Bedauern vom Verlust Manfred Ortmans. Als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten und Vizepräsident der Föderalistischen Union der Europäischen Nationalitäten, der größten Vertretung der nationalen und ethnischen Minderheiten in Europa, wende ich mich an Sie. Gleichzeitig bin ich ein Schlesier, der Mitglied der deutschen Minderheit in Polen ist.

Die Anzahl der Menschen deutscher Abstammung, die als ethnische Minderheiten außerhalb Deutschlands leben, wird offiziell auf über eine Million geschätzt. Diese Zahl basiert auf offiziellen staatlichen Daten, hauptsächlich auf Volkszählungen, die jedoch oft fehlerhaft sind, da in vielen Ländern die Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe aus historischen und politischen Gründen nach wie vor als gefährlich betrachtet wird. Wir sind uns bewusst, dass Volkszählungen immer weniger relevant werden, dennoch erfreut es mich zu sehen, dass die Ergebnisse der Volkszählung in Polen recht genau sind. Trotz der Mobilität der deutschen Bevölkerung in Polen scheinen wir dort stabil geblieben zu sein, während in Ungarn die Größe der deutschen Volksgruppe um 20% gesunken ist, und in Tschechien ein Zuwachs verzeichnet wurde.

Mit dem Generationswechsel ändert sich auch die Art unserer Identität, und die Zugehörigkeiten werden mehrschichtig. Es erfreut mich zu sehen, dass sich in ganz Europa Menschen finden, die den Mut und das Bedürfnis haben, sich zu ihrem Deutschtum zu bekennen. Es ist mir eine große Ehre, als Sprecher einer großen Gemeinschaft von Deutschen in 25 Ländern zu agieren, doch bin ich mir bewusst, dass meine Wurzeln in Schlesien liegen.

Ich möchte Ihnen allen für Ihr Engagement danken und betonen, wie wichtig es heute ist, unsere Identität mutig zu leben. Die europäische Idee kann nur funktionieren, wenn sie eine Gemeinschaft unterschiedlicher Völker umfasst, nicht nur unterschiedlicher Staaten. Obwohl die deutschen Minderheitengruppen Bürger der Länder sind, in denen sie leben, so sind sie kulturell und sprachlich mit Deutschland verbunden und Teil der deutschen Kulturnation. Unsere Identität ist zweischichtig, manchmal sogar dreischichtig, mit einer Verbindung zur Heimat in unseren Ländern und zu den deutschsprachigen Ländern, aus denen unsere kulturellen und sprachlichen Wurzeln stammen.

Wir erkennen den Wert, den dies für die europäische Integration hat, insbesondere angesichts der aktuellen politischen Realität, die durch die russische Aggression gegen die Ukraine geprägt ist. Es wird immer deutlicher, wie eng die tägliche Arbeit der deutschen Minderheiten mit der Außenpolitik Deutschlands verknüpft ist. Seit Jahrzehnten sind wir in MOE-Ländern die wahren Brückenbauer, die Friedensarbeit leisten, für europäische Integration stehen und das moderne Bild Deutschlands verbreiten. Die Förderung der deutschen Minderheiten ist auch für Deutschland eine gute Investition. Es lohnt sich, die Sprach-, Kultur- und Jugendarbeit zu unterstützen, sowohl in unseren Ländern als auch in Deutschland.

Leider erhalten wir in der letzten Zeit immer wieder Meldungen, dass Förderer und Vermittler versuchen, die Verbände und Vereine der deutschen Minderheiten fast dazu zu zwingen, ihre eigenen Ideen und Projekte umzusetzen, und sogar die Gestaltung der Organisationen zu beeinflussen. Ich dachte, dass diese Zeiten bereits hinter uns liegen.

Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung Polens zu einer wesentlichen Verbesserung der Minderheitenpolitik führen wird. Polen hat im Vergleich zu manchen Ländern viel Zeit verloren. Wir stehen kurz vor den Europawahlen und müssen hoffen, dass auch der Minderheitenpolitik in den Strukturen der EU endlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Polen hat uns mit seinem Desinteresse an der Diskriminierung unserer Kinder in den polnischen Schulen verletzt. Bitte lesen Sie das Manifest der FUEN, in dem unsere Erwartungen an die EU aufgeführt sind. Europa und die nationalen und ethnischen Minderheiten brauchen einen Wandel. Die Europäische Union muss aufwachen und eine einheitliche und progressive Minderheitenpolitik gewährleisten.

Der Präsident der FUEN, Lorant Vincze, der uns ebenfalls hier begrüßt, sagte zu Recht: „Ethnische Minderheiten sind eine vernachlässigte Gruppe in Europa, und wir sehen keine Verbesserung der Situation.“ Francis Fukuyama schreibt in seinem neuen Buch „Identität“, dass die aktuelle Minderheitenpolitik eine Politik der Würde sein muss. Das Recht auf eigene Sprache, Volkszugehörigkeit, Kultur und Tradition, also auf eigene Identität, bewahrt die menschliche Würde. Eine Verweigerung dieser Rechte beraubt und verletzt diese Würde. Alle, die die Würde angreifen, stehen dem friedlichen Zusammenleben der Völker entgegen, auch wenn sie theoretisch gegen den Krieg sind. Leider geschieht dies immer noch zu oft.

In diesen schwierigen Zeiten wünsche ich Ihnen allen viel Hoffnung und den Segen Gottes für die Zukunft.

Bernard Gaida

Sprecher der AGDM in der FUEN

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