Internationaler Tag der Muttersprache 2022: „Herausforderungen und Möglichkeiten“

Internationaler Tag der Muttersprache 2022: „Herausforderungen und Möglichkeiten“

Seit 1999 begeht die UNESCO den Tag der Muttersprache, um die Rolle der kulturellen und sprachlichen Vielfalt hervorzuheben. Der Tag sollte ursprünglich an die fünf Studenten erinnern, die 1952 während einer friedlichen Demonstration ums Leben gekommen sind, als sie forderten, dass die bengalische Sprache einen offiziellen Status erhielt. Im Laufe der Jahre ist der Tag der Muttersprache neben dem Gedenken zu einer Gelegenheit für viele Initiativen geworden, die jährlich organisiert werden: Ausstellungen, Treffen, Konferenzen und Bildungsprojekte.

Auf der Internetseite des polnischen UNESCO-Komitees heißt es: „Die UNESCO glaubt an die Bedeutung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt für nachhaltige Gesellschaften. Als Teil ihrer Mission für den Frieden arbeitet sie daran, die Vielfalt der Kulturen und Sprachen zu bewahren, die Toleranz und Respekt für andere zu fördern.“ All dies ist eingebettet in die Bestimmungen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, die darauf abzielen, Sprachen zu schützen, Multikulturalismus und Mehrsprachigkeit zu fördern, und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in der „die Anerkennung der inhärenten Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft“ betont wird. Und eines der Grundrechte ist das Recht auf Bildung.

In Rumänien studieren fast 20.000 Schüler der deutschen Minderheit in 61 deutschsprachigen Schulen oder in Schulen mit deutschsprachigem Unterricht [1]. In Klaipeda, Litauen, wurde 1992 auf Initiative des Verbandes der deutschen Minderheit eine Schule gegründet, an der mehr als 500 Schüler Deutsch als Muttersprache lernen. [2] In Litauen hingegen studierten 2018/2019 in allen polnischen Schulen und Klassen auf Polnisch [4] insgesamt 11.114 Kinder [3] der polnischen Minderheit, der größten indigenen nationalen Minderheit in Litauen, die etwa 200.000 Personen (6,5% der Gesamtbevölkerung Litauens) zählt. Obwohl es so gewöhnlich klingt, können Kinder der deutschen Minderheit in Polen nur davon träumen, auf Deutsch unterrichtet zu werden (statt an paar zusätzlichen Stunden Deutsch in der Woche) …

Nach Angaben des Goethe-Instituts haben mehr als 20% der Einwohner Deutschlands einen anderen kulturellen Hintergrund. Die im Land geförderte Mehrsprachigkeit wird bei Kindern von klein auf unterstützt; natürlich wird das Bedürfnis der Deutschkenntnisse, das sich aus der Notwendigkeit ergibt, in der Gesellschaft zu funktionieren, betont, die Herkunftssprache aber ist nicht ohne Bedeutung: „Familien sollen nicht aufhören, ihre Herkunftssprache zu sprechen“, heißt es auf der Website des Instituts, „sondern sie zu Hause mit den Kindern und in der Familie anwenden. Für Kinder ist es ganz besonders wichtig, ihre Erstsprache gut zu sprechen [5]“. In Österreich hingegen sind laut Statistik aus dem Jahr 2001 bis zu 250 verschiedene Sprachen zu hören; zu den am häufigsten verwendeten gehören Serbokroatisch, Türkisch, Englisch, Ungarisch und… Polnisch.

Angesichts der Situation vom 4. Februar 2022, in der den in Polen lebenden Schülern, die einer (!) von neun in Polen lebenden nationalen Minderheiten angehören, die Möglichkeit genommen wird, ihre Herkunftssprache effektiv zu lernen, sowie angesichts gleichzeitiger Gefahr einer weiteren Einschränkung der Stunden wird deutlich, dass die von der UNESCO propagierten Ideen des Pluralismus zunehmend reinem politischem Kalkül und politischen Wirrungen weichen. Auch ohne das ist die ohnehin schon schwierige Situation der Sprachen der nationalen Minderheiten in Polen nicht einfach. So lässt uns das im Titel erwähnte Motto des diesjährigen Tages der Muttersprache: „Herausforderungen und Chancen“ auf Ersteres beschränken. Das ist sehr schade, denn die Sprachkenntnisse sollen uns in erster Linie neue Perspektiven eröffnen.

Bildquelle: unesco.org

[1] „Die deutsche Minderheit in Rumänien
[2] www.zudermanas.klaipeda.lm.lt
[3] kresy.pl
[4] laut der Ergebnisse der Volkszählung 2021
[5] „Mehrsprachigkeit“ in: www.goethe.de
[6] meinbezirk.at

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