Diesmal verbrachte ich auf Einladung der Siebenbürger Deutschen ein ganzes Wochenende in Rumänien, in Hermannstadt/Sibiu. Der Anlass war ihr Sachsentreffen unter dem Motto „Heimat ohne Grenzen“. Ich kenne die offiziellen Zahlen noch nicht, aber es hieß, dass neben den noch in Rumänien lebenden Deutschen etwa 20.000 aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, den USA, Kanada und Belgien kamen. Deshalb waren alle kulturellen Veranstaltungen, von denen es mehrere hundert gab, gut besucht, sei es ein Orgelkonzert oder das gewaltige Spektakel, wie es das Abschiedskonzert des berühmten Rockermusikers Peter Maffay aus dem siebenbürgischen Brašov/Kronstadt war. In Hermannstadt konnte man in diesen Tagen den Gemeinschaftsgeist dieser verstreuten Gemeinschaft spüren, die durch ihre Trachten, aber auch durch ihr Interesse an ihrer Geschichte (Ausstellungen und Filme zur Geschichte wurden zahlreich besucht) bewies, dass sie ihre Besonderheit in der großen Familie der deutschen Kulturnation lebt.
Daher die Feier der als Andreanum bekannten Urkunde, mit der der ungarische König ihnen 1224 Privilegien gewährte, aber auch den Charakter dieser Gemeinschaft durch die Garantie der rechtlichen Autonomie, der Selbstverwaltung mit Gleichheit vor dem Gesetz und dem Verbot adliger Vorrechte umriss, wodurch beispielsweise die vermutlich älteste europäische Gemeinschaft mit allgemeinem Zugang zur Bildung entstand. Diese Rechte prägten die einheimischen Deutschen für mehrere hundert Jahre. Erst im 19. Jahrhundert zerstörten die Politik der Großmächte und die darauffolgenden Kriege diesen Organismus, und auch die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Siebenbürgen und seine Deutschen einem System der Arbeitslager, der Deportation in die UdSSR, der Beschlagnahmung des Eigentums und der Verstaatlichung aus.
Östlich von Oder und Neiße waren alle Deutschen von diesen Prozessen betroffen, aber nur in Rumänien wurde der deutschsprachige Unterricht nicht vom Staat abgeschafft. Dennoch verließen in den zwei Jahren nach 1989 die meisten Deutschen Siebenbürgen in Richtung Deutschland. Ich treffe aber immer wieder einige, die nach dem Versuch, in Deutschland zu leben, in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Jetzt habe ich sie auf den Straßen von Hermannstadt wiedergetroffen. Hermannstadt ist das Zentrum der deutschen Minderheit. Hier ist der demokratisch gewählte Bürgermeister – im umgekehrten Verhältnis zur Einwohnerzahl – seit Jahrzehnten Deutscher, genau wie der derzeitige Präsident Rumäniens. Unwiderstehlich drängt sich mir dabei die Überzeugung auf, dass dies zu einem großen Teil auf die jahrhundertealte, immer noch ununterbrochen funktionierende deutschsprachige Erziehung in Rumänien zurückzuführen ist. Das hat dazu geführt, dass sie sich bis heute nicht nur als Siebenbürger, sondern immer als Siebenbürger Deutsche identifizieren.
Bernard Gaida