VdG-Verbandsratssitzung – Rede des Vorsitzenden des Verbandes, Rafał Bartek

VdG-Verbandsratssitzung – Rede des Vorsitzenden des Verbandes, Rafał Bartek Fot. Okiem Sportowca / Stefani Koprek

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der Deutschen Minderheit aus ganz Polen,

wir treffen uns heute hier, um gemeinsam auf das vergangene Jahr zurückzublicken und eine Bilanz zu ziehen. Seit der Wende von 1989/1990 sind 35 Jahre vergangen. Dies war eine Zeit, in der die Mitglieder der deutschen Minderheit endlich in der Lage waren, ihre Präsenz zu verdeutlichen und offen über ihre Identität zu sprechen. Ein Beweis dafür, dass sich viele Menschen seit Jahren für die Förderung der deutschen Kultur und Sprache einsetzen, sind die großen Jubiläen, die im Jahr 2024 begangen wurden. Es waren Jubiläen, die sowohl von Organisationen der deutschen Minderheiten als auch von Bildungseinrichtungen, die die jüngeren Generationen ausbilden, gefeiert wurden.

Gefeiert wurde u.a. die langjährige Partnerschaft zwischen dem Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen und dem Bund der Vertriebenen Landesverband Thüringen, der uns in schwierigen Zeiten auf dem Bildungsweg unterstützte, indem er uns die notwendigen Materialien zur Verfügung gestellt hatte. Erwähnenswert sind auch das 15-jährige Bestehen des Vereins Pro Liberis Silesiae und der Schule und des Kindergartens in Raschau sowie das 10-jährige Bestehen der Schule und des Kindergartens in Oppeln, die seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag zur Bildung der Kinder der deutschen Minderheit leisten. Auch die Neidenburger Gesellschaft der deutschen Minderheit und der Verein Schlesischer Landfrauen feierten ihr 30-jähriges Bestehen. Ebenso sollte an dieser Stelle der 35. Jahrestag der historischen Versöhnungsmesse in Kreisau genannt werden, die der erste Schritt zum Aufbau einer starken Beziehung und Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland war.

Das 35-jährige Bestehen des Verbandes Schlesischer Bauern wurde bereits im Jahr 2025 gefeiert, und morgen, während der Wallfahrt, werden wir auch das 35-jährige Bestehen der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien und des DFK der Woiwodschaft Schlesien begehen. Im Laufe des Jahres werden sich weitere Organisationen dieser Gruppe anschließen.

Das Jahr 2024 brachte uns auch wichtige Jahrestage von Dokumenten, die für unsere Gemeinschaft von großer Bedeutung sind. Wir begingen den 15. Jahrestag der durch Polen ratifizierten Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, eines Dokuments, das den Schutz und die Entwicklung von Minderheitensprachen garantiert. Wir feierten ebenfalls den 20. Jahrestag des Beitritts Polens zur Europäischen Union, ein Ereignis von besonderer Bedeutung für die deutsche Minderheit, die seitdem eine Gemeinschaft mit der Bundesrepublik Deutschland und anderen EU-Ländern bildet. Auch Anfang dieses Jahres trafen wir uns im Sejm, um mit anderen Vertretern nationaler und ethnischer Minderheiten den 20. Jahrestag des Inkrafttretens des Gesetzes über nationale und ethnische Minderheiten zu feiern. Unter der Schirmherrschaft des Sejmmarschalls, Szymon Hołownia, wurden eine Ausstellung zum Thema „Nationale und ethnische Minderheiten in Polen zum 20. Jahrestag des Gesetzes“, die vom Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit vorbereitet worden war, und eine Konferenz zur Geschichte, Wirkung und Zukunft des Gesetzes veranstaltet.

Einer der wichtigsten Erfolge des vergangenen Jahres war das Ende der Diskriminierung von Kindern der Deutschen Minderheit. Nach über zwei Jahren von Bemühungen von Mitgliedern unserer Gemeinschaft wurden uns wieder die gleichen Rechte gewährt wie anderen Minderheiten in Polen. Das ist ein großer Erfolg, umso wichtiger ist es, da die Kinder unsere Zukunft sind. Die Verordnung hat jedoch tiefgreifende negative Auswirkungen hinterlassen, die noch lange zu spüren sein werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass wir mit der Wiedereinführung von drei Unterrichtsstunden Deutsch als Minderheitensprache in den Schulen die Teilnahme an der Arbeit der Gemeinsamen Kommission der nationalen und ethnischen Minderheiten wieder aufnahmen, die Bernard Gaida und ich vorher im Rahmen des Protests ausgesetzt hatten.

Zu den wichtigsten Ereignissen des Jahres 2024 gehört auch die Ernennung von Ryszard Galla, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien und ehemaligen Abgeordneten der deutschen Minderheit, zum Berater des Sejmmarschalls Szymon Hołownia für nationale und ethnische Minderheiten. Dies ist ein bedeutender Moment in der Geschichte und Politik der nationalen und ethnischen Minderheiten in Polen. Obwohl es im polnischen Sejm keinen Vertreter der nationalen und ethnischen Minderheiten gibt, ist unsere Stimme dank dieser Stelle weiterhin hörbar. Unsere Stimme, das heißt der deutschen Minderheit, aber auch der anderen in Polen lebenden Minderheiten.

Eine der schwierigsten Zeiten war die Flut. Sie zeigte uns jedoch, wie groß unsere Stärke und unser Zusammenhalt in schwierigen Zeiten sein können. Der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der deutschen Minderheit im Oppelner Schlesien gelang es, 81.738,62 PLN in Form einer Sammlung zu sammeln. Die Deutsche Minderheit sammelte gemeinsam mit den Schlesischen Selbstverwaltern die notwendigsten Sachen, und auch viele DFKs führten solche Aktionen durch. Einen wesentlichen Beitrag leistete auch die Deutsche sozial-kulturelle Gesellschaft in Glatz. An dieser Stelle möchte ich allen Organisationen, DFKs und denjenigen danken, die den Bedürftigen geholfen hatten.

Es ist ein Jahr seit dem Wahlerfolg der Schlesischen Regionalpolitiker vergangen. Es wurde ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Das Komitee erhielt insgesamt mehr als 53.000 Stimmen und erzielte damit mit 16,22% das drittbeste Ergebnis in der Region. Die regionalen Werte, vor allem aber die Werte der Minderheit, sind auf allen Ebenen der lokalen Selbstverwaltung in der Woiwodschaft Oppeln präsent. Kürzlich konnten wir während des 1. Kongresses der Schlesischen Regionalpolitiker in Oppeln ein Jahr voller Aktivitäten zusammenfassen und neue Ziele setzen.

Besondere Anerkennung verdienen auch die Aktivitäten der Organisationen der deutschen Minderheiten zur Förderung von Sprache, Kultur und sozialer Integration. Im Rahmen des Projekts „Begegnungsstättenarbeit“ wurden insgesamt 626 Veranstaltungen in 271 DFKs bzw. Organisationen der deutschen Minderheit durchgeführt. An den „Samstagskursen“ nahmen insgesamt 1 555 Kinder in vier Woiwodschaften teil. Im Rahmen des Projekts „Deutsch AG“ wurden in der ersten Jahreshälfte 391 Gruppen in sieben Woiwodschaften und in der zweiten Jahreshälfte 231 Gruppen in sechs Woiwodschaften gebildet. Das Jugendtheaterprojekt „Jugendbox 2024“ hingegen zog 74 junge Teilnehmende zwischen 12 und 20 Jahren aus den DFK Rosenberg, Tost, Waldenburg, Cosel, Zülz, Oberglogau und Raschau an. Es gab 573 Personen, die während des ganzen Jahres an dem Projekt Jugendbox mitgewirkt oder als Publikum die Aufführungen der Jugendlichen besucht hatten. Das sind beeindruckende Zahlen, auf die wir wirklich stolz sein können.

Ein wichtiges Ereignis Ende letzten Jahres und Anfang dieses Jahres war für uns der Bruch der Regierungskoalition in Deutschland, der so genannten „Ampelkoalition“, und die vorgezogenen Wahlen im Februar dieses Jahres. Die politische Stabilität in Deutschland ist für uns äußerst wichtig, ebenso wie der direkte Kontakt zu polnischen und deutschen Politikern. Wir bemühen uns ständig, diesen Kontakt zu pflegen. Was die Kontakte mit der deutschen Seite angeht, so möchte ich mich besonders bei Bernard Gaida bedanken, der sich stets dafür einsetzt, dass das Thema der deutschen Minderheiten in Europa, in Berlin nicht übersehen oder vergessen wird. Dabei ist es bemerkenswert, dass zum Beispiel im Koalitionsvertrag die Unterstützung der deutschen Minderheiten ausdrücklich erwähnt wird. Das ist ein sehr wichtiges Signal an uns alle, die wir heute hier sind.

Denken wir auch an die morgigen Präsidentschaftswahlen in Polen. Der Präsident Polens ist auch der Präsident der in Polen lebenden nationalen und ethnischen Minderheiten!

Seit Anfang 2025 begehen wir auch einen wichtigen Jahrestag, nämlich den 80. Jahrestag der „Tragödie des Jahres 1945“, die auch als „Tragödie der Deutschen in Osten“ oder „Oberschlesische Tragödie“ bekannt ist. Zahlreiche Gedenkveranstaltungen für die Opfer dieser Ereignisse haben bereits stattgefunden, und es werden noch weitere hinzukommen. Ich danke Ihnen dafür, dass wir gemeinsam das Andenken an unsere Großeltern, Eltern und auch an unsere Nachbarn bewahren. Dies ist wichtig in einer Welt, in der sich alles sehr schnell ändert. Wir wissen jedoch, was für uns wirklich wichtig ist: die Bewahrung der Erinnerungen, die Erhaltung und Förderung der deutschen Kultur und Sprache sowie der Identität sowie die Unterstützung der jungen Generation bei ihrer Entwicklung, die bald für die Gestaltung der Zukunft der Deutschen Minderheit verantwortlich sein wird.

Deshalb möchte ich uns allen ein weiteres gutes und erfolgreiches Jahr wünschen. Ich möchte allen unseren Förderern und Unterstützern danken. Ihnen ist es zu verdanken, dass wir uns für den Schutz der Werte einsetzen können, die uns so wichtig sind, und dass wir in der Lage sind, sie an die nächste Generation weiterzugeben. Vielen Dank an alle Mitarbeiter des VdG-Büros unter der Leitung der Geschäftsführerin Joanna Hassa. Ihre Arbeit und Ihr Engagement sind von unschätzbarer Bedeutung. Den heute hier Versammelten wünsche ich inspirierende Diskussionen und einen erfolgreichen Verlauf der Verbandsratssitzung.

Skip to content