Wir zählen

Wir zählen

Es wird nicht viel über die Volkszählung in den Massenmedien gesprochen, aber es ist bekannt, dass sie in diesem Jahr stattfindet. Wenn man von technischen Fragen und der die Zählung erschwerenden Pandemie absieht, wissen wir, dass neben der Erhebung allgemeiner statistischer Daten während der Volkszählung auch Fragen auftauchen, die als empfindliche Daten anzusehen sind – Konfession, Nationalität, Zuhause gesprochene Sprache. Es sind wichtige Fragen für jeden, doch die Antworten sind nicht immer bewusst und eindeutig. Im Alltag werden sie oft wenig thematisiert. Auf der anderen Seite sind sie anfällig für äußere Einflüsse, Vereinfachungen, Gleichgültigkeit, Propaganda, aber auch für Ängste, Misstrauen und Manipulationen.

Im kürzlich gesendeten Interview für das „Schlesien Journal“ habe ich gesagt: „Ich habe kein Problem zu sagen, ich bin Deutscher. Und als Deutscher bin ich Schlesier“. Ich weiß nicht, wie viele ihr Schlesiertum als Facette ihres Deutschtums ansehen, oder wie viele mit deutschen Wurzeln sich heute ihrer bewusst sind. Ich habe also entschieden, dass ich den Leserinnen und Lesern meiner wöchentlichen Kolumne versuchen werde, dieses Bewusstsein näher zu bringen und es da zu entdecken, wo ich es sehe. Heute beginne ich mit Ereignissen, die schon am kommenden Wochenende ganz Oberschlesien dominieren werden.

Wir versammeln uns auf dem Lamsdorfer Friedhof, am Tor-Denkmal in Schwientochlowitz-Zgoda und im Myslowitzer Rosengarten sowie an vielen anderen lokalen Gedenkstätten. Es ist gut, dass wir der zivilen Opfer, unserer Verwandten, Nachbarn, Mitbewohner unserer Dörfer und Städten gedenken. Doch denken wir auch daran, dass ihre einzige Schuld war, zur deutschen Nation zu gehören? Dass sie unschuldig mit ihrem Leben bezahlt haben, weil sie Deutsche, Bürger der Reiches waren oder auf der Volksliste standen? Wir gedenken ihres gewalttätigen Todes, doch fühlen wir mit ihnen irgendeine Gemeinschaft? Ja, das tun wir, wenn wir die Orte aufsuchen. Doch blieben wir dieser Gemeinschaft treu? Sie wollten überleben, aber das „Muttermal” des Deutschtums machte sie zu Opfern der Rache der Sieger und sie bezahlten für eine fremde Schuld. Jedes Jahr, wenn ich an den Tafeln stehe, weiß ich, dass der Preis, den sie für die Wurzeln bezahlt haben, durch die ich mit ihnen verbunden bin, dazu führt, dass ich ihnen treu sein will. Diese Treue verlangt von mir bei der Volkszählung zu deklarieren: Ja, ich bin deutscher Nationalität!

Bernard Gaida

Skip to content