Prof. Dr. Bernd Fabritius: Wer die Bildung der jungen Generation beschädigt, schadet künftigen Generationen

Prof. Dr. Bernd Fabritius: Wer die Bildung der jungen Generation beschädigt, schadet künftigen Generationen

Am 7. Februar 2022 traf der Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, in Oppeln ein. Während der Pressekonferenz im Anschluss an die Treffen im Sitz des VdG bestritt Prof. Fabritius fehlerhafte Informationen über das Erlernen der polnischen Sprache in Deutschland, auf deren Grundlage die Entscheidung der polnischen Regierung, die Mittel für Deutsch als Minderheitensprache zu kürzen, gerechtfertigt ist. Seine Aussage wird im Folgenden dargestellt:

Ich wäre 30 Jahre nach Abschluss des bilateralen Vertrages über gutnachbarschaftliche Beziehungen und Freundschaft zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland sehr gerne in das schöne Land gekommen, um auf die 30 Jahre partnerschaftliche Beziehungen hinzuweisen und positive Erfolge zu feiern, wie sich das in gutnachbarschaftliche Beziehungen gebührt. Wir sind leider überrascht worden von einer Entscheidung, die zuerst im Gesetzgebungsorgan, im Sejm, zuerst geschrieben worden ist, die aber vor wenigen Tagen, in einer Verordnung des zuständigen Ministeriums, Einklang gefunden hat, die aus Sicht der Bundesregierung in eine Diskriminierung der als nationale Minderheit in Polen lebenden deutschen Minderheit bedeutet.

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Wir bedauern es sehr, dass es zu derart diskriminierenden Entscheidung gekommen ist, ohne dass man die bestehenden bilateralen Formate des Gesprächs und Dialogs genutzt hat, weil wir dann die falschen Grundlagen, auf denen diese Fehlentscheidung beruht, hätten richtigstellen können. Mit großer Verwunderung haben wir die Begründung dieser diskriminierenden Entscheidung zur Kenntnis genommen.

Die Begründung soll, so Nachrichten in den Medien, dadurch erfolgen, dass angeblich Polinnen und Polen, die in Deutschland leben, Unterstützung brauchen, weil Deutschland diese Unterstützung zum muttersprachlichen, herkunftssprachlichen Unterricht nicht leisten würde.

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Die Begründung dieser Entscheidung ist offenkundig falsch. Es ist der Bundesregierung sehr, sehr wichtig, dass die Polinnen und Polen, die in Deutschland leben, selbstverständlich ihre eigene Sprache lernen und an die kommenden Generationen weitergeben können, weil das Teil der eigenen Identität ist. Deswegen wendet der deutsche Steuerzahler pro Jahr über 200 Millionen EUR auf, um knapp 15 Tausend Oberstufenschüler mit dem Angebot des Polnischunterrichtes zu versorgen. Wir legten in den Bundesländern, die es in Deutschland gibt, nach dem föderalen System bestehenden Zuständigkeitsregeln über die Länder diesen Unterricht an und wir wissen aus den Untersuchungen der Kultusministerkonferenz, dass es keinen ungedeckten Bedarf gibt. Es gibt keine Nachfrage, die diese 200 Millionen Euro nicht befriedigen würde.

Wir haben über die Kultusministerkonferenz der Länder die Organisationen der Polinnen und Polen in Deutschland aufgefordert, überall dort, wo noch mehr Bedarf besteht, zu benennen, weil wir das gerne weiter erfüllen wollen. Antwort war aber: Es ist kein Fehlbedarf, es ist genug Unterricht.

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Ich habe aus der heutigen Presseveröffentlichung des Bildungsministeriums in Warschau entnommen, das kritisiert wird, dass auf der Bundesebene keine Bildung bezahlt wird. Das ist an sich zutreffend, da es in den Ländern finanziert wird. Die Bundesregierung finanziert keine einzige Schule. Auch keine einzige Stunde Mathematik oder Physik oder Biologie oder Deutsch. Alles, was unterrichtet wird, wird von den Ländern finanziert und das sind Gelder des deutschen Steuerzahlers und wir werden das Geld gerne weiter einsetzen, um die Identität der Polinnen und Polen in Deutschland auch durch die eigene Sprachbindung zu sichern. Das ist unser Anliegen.

Ich denke, es wäre sehr wichtig gewesen und es wäre auch für die Zukunft wichtig sein, dass wir im gegenseitigen vertrauensvollen Dialog, so wie wir es auch bis dahin schon hatten, über gemeinsame Anliegen auch gemeinsam sprechen und deswegen lade ich meine Kollegen, mit denen wir im deutsch-polnischen Runden Tisch in der Vergangenheit immer konstruktiv beraten haben, ein, diese Beratung wieder aufzunehmen und die, aus meiner Sicht nicht begründete und auf einem Missverständnis, auf falschen Annahmen beruhende Entscheidung so schnell wie möglich zu korrigieren und die Diskriminierung zu beenden.

Ich habe meine Aufgabe als Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten gerade die deutsche Minderheit in Polen als eine dem eigenen Staat, der Republik Polen, sehr loyale Gemeinschaft erlebt. Und ich erlebe jetzt eine Gruppe von polnischen Bürgern deutscher ethnischer Zugehörigkeit, die im tiefen Herzen verletzt ist: Durch diese subjektiv als Diskriminierung des eigenen Landes empfundene Entscheidung. Uns ist sehr, sehr wichtig, dass wir die Loyalität der Deutschen in Polen zum eigenen Staat unterstützen und festlegen, so wie es geht, und deswegen ist es mir wichtig, das Signal des Beistandes auszusenden. Die Bundesregierung steht unverrückbar an der Seite der deutschen Minderheit in Polen und wir werden versuchen, im partnerschaftlichen Dialog mit unserem Partner, mit den Vertreter der polnischen Regierung, auch diese Thematik wieder zu bereinigen und das Missverständnis zu klären, das ich hier unterstelle.

Lassen Sie mich als letztes versichern. Ich bin in den letzten Tagen, nach Erlass dieser Verordnung gefragt worden, ob Deutschland jetzt auch den Unterricht von Polnisch in Deutschland kürzt. Ich sage ihnen aus voller Überzeugung: Nein, das machen wir nicht, es wäre eine kapitale Fehlentscheidung, so wie das hier eine kapitale Fehlentscheidung gewesen ist. Wer die Bildung der jungen Generation beschädigt und verletzt, schadet künftigen Generationen. Und deswegen werden wir in Deutschland selbstverständlich auch den Unterricht von Polnisch als Herkunftssprache für die dort lebenden Polinnen und Polen weiterführen und wir denken nicht daran, das Gleiche zu tun, was hier, vielleicht aufgrund von fehlerhaften Informationen, entschieden wurde. Wir hoffen eher, dass diese falsche Entscheidung korrigiert wird.

Dies ist eine Situation, in der zum ersten Mal in der Geschichte Polens der Bildungsminister Außenpolitik betreibt. Glauben Sie, dass dies keine Intervention erfordern würde? 

Selbstverständlich. Ich sehe es als meine Pflicht an, bei dem Gespräch am 22. Februar, das ist in wenigen Tagen, auszudehnen, auch weil ich bei unseren Partnern, bei der polnischen Regierung, aufgrund von Fehlentscheidungen, aufgrund von falschen Informationen, bewahren möchte. Den Premierminister werde ich vermutlich nicht treffen, weil es für die bilateralen Angelegenheiten klare Zuständigkeitsregeln gibt. Wir haben einen deutsch-polnischen Runden Tisch und ich bin der Ko-Vorsitzende diesen deutsch-polnischen Runden Tisches für die Fragen der Deutschen in Polen. Mein Gesprächspartner ist der Minister, in dessen Verantwortung diese Entscheidung liegt. Und deswegen spreche ich mit ihm.

Was denkt der neue deutsche Bundeskanzler zu dieser Angelegenheit?

Ich gebe zu, dass ich diese Angelegenheit mit Bundeskanzler Scholz noch nicht besprochen habe und ich hoffe, dass es auch gar nicht dazu kommt, dass ich sie mit ihm besprechen müsste. Ich denke, dass es sich um ein Missverständnis handelt, das auf Ebene der zuständigen Minister geklärt werden kann. Ich denke, es sollte nicht notwendig werden, eine solche Frage derart hoch politisch aufzuhängen. Mein Anliegen wäre, dass wir uns partnerschaftlich den Themen widmen. Deutschland und Polen sind Partnerländer, die so wichtig und positiv zusammenarbeiten, auch wenn es um essenzielle Fragen in Europa geht.

Die polnische Sprache wird in Deutschland als Sprache für die Kinder von Einwanderern behandelt. Mit anderen Worten, Kinder, deren Eltern aus dem Irak oder der Türkei stammen, lernen Polnisch nach den gleichen Prinzipien. Daher erschien unter den Argumenten, dass es nicht zu den gleichen Bedingungen wie die deutsche Sprache in Polen für Minderheiten ist.

Ihre Feststellung ist richtig. Sie beruht deswegen nicht auf der gleichen Grundlage, weil die Deutschen in Polen eine autochthone, nationale Minderheit sind, die seit Jahrhunderten in diesem Gebiet leben. Und sie deswegen unter die Regelwerke des Europarates fallen, die Polen ratifiziert hat. Die Polen und Polinnen in Deutschland sind eine in Deutschland sehr geschätzte und sehr willkommene ethnische Minderheit, aber keine autochthone, keine nationale, die unter die Regelwerke des Europarates fallen würde; das ist nicht so. Eine Muttersprache ist immer eine Muttersprache. Ganz egal, ob es eine Muttersprache einer Polin, eines Polen, eines Türken, eines Portugiesen oder eines Italieners, oder eines Deutschen ist. Unser Ansatz ist, dass wir allen in Deutschland lebenden ethnischen Gruppierungen die Möglichkeit eröffnen wollen, auf höchstem Niveau die eigene kulturelle Identität zu behalten. Und das wird im besonderen Maße auch für die Polinnen und Polen.

Lassen Sie mich noch eine Ergänzung machen. Die vorher von mir genannten über zwei Millionen Euro pro Jahr. Das ist nicht nochmal alles, das betrifft nur die oberen Jahrgänge. Wenn ich die Kindergärten und die einfachen Schulen wieder dazu nehme, ist es wesentlich mehr. Die Bundesrepublik Deutschland wendet in Polen Geld auf, das der Bundestag beschlossen hat, aus deutschen Steuermitteln, um außerhalb des staatlichen Schulsystems außerschulischen Sprachunterricht zu finanzieren.

Polen finanziert nach meinen Informationen in Polen keinen außerschulischen Unterricht für die Minderheiten. Nicht für die deutsche, nicht für eine andere. Wenn das Interesse besteht, dass man in Deutschland außerschulischen Unterricht in eine Förderung einbringt, dann wäre das gegenseitige Dialogformat der richtige Ort, um darüber zu sprechen und vielleicht gegenseitige Lösungen zu finden.

Wie viele Stunden pro Woche können polnische Kinder in Deutschland Polnisch als Muttersprache lernen?

Das kann ich Ihnen nicht mit einer einfachen Zahl beantworten, wie es in Polen ist, weil wir kein zentrales System haben. Die Länder entscheiden das. Wir haben das Prinzip des Bedarfs und die Polinnen und die Polen in Deutschland entscheiden, wie viel Unterricht sie haben wollen. Sie melden Bedarf an. Und wir erfüllen ihn, weil war das Interesse daran haben. Ich möchte mich ausdrücklich bei den Vertreterinnen und Vertretern der Polonia in Deutschland dafür bedanken, dass sie sich gerade in dieser Situation solidarisch an die Seite der deutschen Minderheit in Polen gestellt haben und bestätigt haben, dass sie selbst das nicht gut finden.

Letzter Satz dazu: Unsere beiden Länder können sich glücklich schätzen, derartige Brücken für das bilaterale Verhältnis zu haben wie die deutsche Minderheit in Polen und die Polinnen und Polen in Deutschland.

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