Grußwort der Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Natalie Pawlik, zur Eröffnung des Kindergartens in Chronstau

Grußwort der Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Natalie Pawlik, zur Eröffnung des Kindergartens in Chronstau Foto: Mateusz Blaik

Liebe Kinder,

sehr geehrte Eltern,

sehr geehrte Teilnehmer an dieser Festveranstaltung,

 

ich freue mich sehr, heute hier bei der bei der Eröffnung des Kindergartens in Chronstau als Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten dabei sein zu können. Zunächst möchte ich sie herzlich von unserem Bundeskanzler Olaf Scholz und der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser grüßen, und Ihnen ihre besten Wünsche überbringen.

Häufig habe ich schon betont, wie sehr ich die Arbeit des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) und seiner Mitgliedsorganisationen schätze. Die heutige Eröffnung des Kindergartens führt bildlich vor Augen, warum die Arbeit des VdG so wichtig ist. Denn dieser zweisprachige Kindergarten wird den Kleinsten in unserer Gesellschaft die außergewöhnliche Möglichkeit geben, von klein auf zwei Sprachen in ihren Alltag zu integrieren. Das Miteinander der Sprachen, und der Kulturen, die mit ihnen verbunden sind, wird für sie die Normalität sein. Das sind die idealen Voraussetzungen für eine weitere aktive, gestaltende zukünftige Generation der deutschen Minderheit.

Es ist ein außergewöhnlich schöner Ort mit kindergerechtenRäumlichkeiten zum Lernen, Spielen, Basteln undToben entstanden. Ich kann die Kinder, die diesen besonderen Kindergarten besuchen werden, und ihre Eltern nur beglückwünschen.

Neben den Räumen ist vor allem aberdas pädagogische Konzept des Kindergartens äußerst vielversprechend: Der Unterricht wird zweisprachig sein und allen Kindern der Umgebung, den deutschen ebenso wie den polnischen, offenstehen. Die Kinder werden in zwei Sprachwelten zu Hause sein und diese Zweisprachigkeit tagtäglich leben. Dies wird dadurch unterstützt, dass in jeder Gruppe zwei Betreuerinnen tätig sind, wobei einedeutsch und eine polnisch spricht. So entsteht nebenbei auch ein natürlicher Zugang zu Vielsprachigkeit und zu einer globalisierten Welt.

Darüber hinaus wird der Kindergarten nach den pädagogischen Grundsätzen des seliggesprochenen Edmund Bojanowski [1814 bis 1871]geführt. Bojanowski gründete in der Mitte des 19. Jahrhunderts für arme und vernachlässigte Kinder dörfliche „Bewahranstalten“ mit dem Ziel, sie in moralischer und materieller Hinsicht fürsorglich zu betreuen. Als Betreuerinnen warb er Mädchen aus den Dorfgemeinden an, die in einer Gruppe aus je drei Betreuerinnen in einer ordensähnlichen Wohngemeinschaft lebten.So wurde die Grundlage für die Gründung der Mägde Mariens gelegt.

Dieses Wirken von Bojanowski, der selbst fließend polnisch und deutsch sprach, fasste Papst Johannes Paul II. bei seiner Seligsprechungim Jahr 1999 folgendermaßen zusammen:

„In die Erinnerung der Menschen ging er als ein herzensguter Mensch ein, der aus Liebe zu Gott und den Menschen verstand, die verschiedenen Bereiche Erziehung, Caritas, Kultur und Religion wirksam zum Guten zu verbinden. Leitprinzip bei jeder seiner Initiativen war der Wunsch, dass alle der Erlösung teilhaftig werden sollten.“

Diese Verknüpfung von katholischer Prägung und Zweisprachigkeit verleiht dem Kindergarten eine einzigartige Ausstrahlung.

Kinder sind unsere Zukunft. Sie haben die besten Ausgangsbedingungen verdient, um ein selbstbestimmtes und glückliches Leben führen zu können. Die Grundlage dafür wird schon früh im Leben gelegt. Kindergärten prägen das Sozialverhalten von Kindern entscheidend mit – umso wichtiger, dass eine tolerante, vielfältige und behütete Atmosphäre geschaffen wird, in der Kinder sich willkommen und angenommen fühlen. Die Erfahrung der Zweisprachigkeit und des liebevollen Miteinanders, wie es die Philosophie dieses Kindergartens beinhaltet, wird den Kinder, die hier einen kleinen, aber wichtigen Teil ihrer Kindheit verbringen dürfen, wichtige Erfahrungen für ihr weiteres Leben mitgeben. Hier werden sie die große Bedeutung des Brückenbauens zwischen unterschiedlichen Kulturen und Nationen schon früh spüren.

Doch Kinder sind nicht nur unsere Zukunft, unsere Zukunft hängt auch von ihnen ab. Deswegen ist es wichtig, Ihnen Werte wie Nächstenliebe, Toleranz und Respekt zu vermitteln. Wenn wir nicht in den Nachwuchs, in die Kinder investieren, werden Traditionen langfristig nicht aufrechterhalten werden können. Daher ist es wichtig, sie von Beginn an in die Traditionen und die Kultur der deutschen Minderheit einzuführen, und ihnen auch, je nach Alter, Verantwortung zu übergeben. Wenn wir die nächsten Generationen, die Kinder und Jugendlichen, ernst nehmen, ihnen respektvoll entgegentreten und ihrer Stimme Gehör schenken, werden sie im Gegenzug auch bereit sein, die Kultur und Traditionen der deutschen Minderheit aufrechtzuhalten, weiterzuentwickeln und wiederum weiterzugeben.

Bei dem Aufbau des Kindergartens handelt es sich um eine großartige Gemeinschaftsleistung! Neben dem Bundesministerium des Innern und für Heimat, das umfangreiche Mittel zur Verfügung gestellt hat, gibt es so vieleeinzelne Beteiligte, dass ich sie an dieser Stelle gar nicht einzeln aufzählen kann.

Mitgewirkt haben vor allem Amtsträger der polnischen Verwaltung in Chronstau und Oppeln, Schwestern der Mägde Mariens, der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) sowie der örtliche Chronstauer-Bildungsverein „Wunder“. Zudem haben sich die Pfarrgemeinde sowie die Dorfgemeinschaft für den Kindergarten eingesetzt. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Schließen möchte ich mit Worten des polnischen Arztes, Kinderbuchautors und Pädagogen Janusz Korczak [1878 bis 1942],der energisch und beeindruckend für die Rechte von Kindern eingetreten ist. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er von den Nationalsozialisten ermordet, weil er die Kinder seines Waisenhauses nicht alleine ließ – und mit ihnen in ein Vernichtungslager deportiert wurde.

Sein unvergleichbarer und beeindruckender Einsatz für Kinder und Jugendliche macht ihn in unserer Erinnerung unsterblich. Korczak hat treffend gesagt:

„Wer die Kindheit überspringen will und dabei in die fernliegende Zukunft zielt – wird sein Ziel verfehlen.“

Kinder sind mit dem Ort verwurzelt, an dem sie aufwachsen, wo sie groß werden, wo ihre Wiege stand und wo sie ihre ersten kulturellen und auch religiösen Eindrücke gewonnen haben. Auf diese Weise – nicht durch ein „Überspringen der Kindheit“, sondern durch einliebevolles und behütetesAufwachsenwirdein tragfähiges Fundament für dieZukunft gelegt.

Nach meinem Eindruck bietet der Kindergarten in Chronstau hier für beste Voraussetzungen!

 

Skip to content