Kann es auch anders sein?

Kann es auch anders sein?

Ich kam gerade erst vom FUEN-Kongress in Triest, einer Stadt, die ich nun ganz anders wahrgenommen habe als bislang, wenn ich selten vorbeigefahren bin. Der Mittelmeerhafen, der über fünf Jahrhunderte für die Habsburger das Tor zu Welt gewesen ist und im 20. Jahrhundert italienisch wurde, präsentierte seine Vielfalt als natürliche Metropole für italienisch, deutsch slowenisch und kroatisch sprechende Menschen. Die sich dieser Vielfalt bewussten Vertreter der lokalen Selbstverwaltung der autonomen Region betonten, dass es wirklich ein Reichtum ist, den man pflegen sollte.

Als ich heute an der Sitzung des Minderheitenausschusses im Sejm teilgenommen habe, bei der die Kontrolle der Obersten Kontrollkammer Polens in Bezug auf die Tätigkeit der Staats- und Selbstverwaltungsorgane im Bereich des Schutzes der kulturellen und sprachlichen Identität der Minderheiten besprochen wurde, hatte ich das Gefühl, auf die graue Wirklichkeit eines zentralistischen Staates zu treffen, der nicht auf die Bedürfnisse der Bewohner reagieren kann. Der Bewohner – und nicht nur der Bürger, denn eine wichtige Schlussfolgerung aus der Kontrolle besagt, das von der Minderheitenbildung die Schüler nicht profitieren dürfen, die keine polnischen Staatsbürger sind.

Obwohl es unlogisch erscheint, ist es doch Tatsache, dass ein Kind eines ukrainischen Ehepaares, das seit einigen Jahren in Polen lebt und arbeitet, den Ukrainisch-Unterricht nicht besuchen darf, den die Schule für Kinder aus ukrainischen Familien anbietet, die aber polnische Staatsbürger sind. Und auch in Schulen in Oberschlesien gab es ähnliche Fälle bei Kindern von deutschen Angestellten, die zeitlich begrenzt in Polen leben.

Wie anders ist diese Situation im Vergleich mit dem Bericht eines italienischen Teilnehmers des Kongresses in Triest, der sich darüber freute, dass in seiner Gemeinde, die von Deutschen, Slowenen und Italienern bewohnt wird, der Bürgermeister in allen Schulen den Unterricht aller drei Sprachen eingeführt hat, und zwar für alle Schüler. Ohne gesonderte Deklarationen, aber dem Bedarf folgend. Und so ähnlich könnte es auch in Polen sein, wenn die Bildungsgesetze sich an der ratifizierten Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen orientieren würden. Diese sieht nämlich vor, dass der Unterricht einer Minderheitensprache dort angeboten wird, wo die jeweilige Minderheit lebt – ohne zusätzliche Bedingungen. Doch der Bericht der Kontrollkammer zeigt eindeutig, dass sogar die Kontrolleure die Verpflichtungen aus der Charta nicht in Betracht gezogen haben, obwohl sie seit der Ratifizierung Teil der polnischen Gesetzgebung sind. Meine Frage, ob es wirklich so gewesen ist, blieb ohne Antwort.

Bernard Gaida

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