Dresden wurde am 13. Februar 1945 bombardiert. Meine Tante, die den Bombenangriff überlebt hat, lebt noch und ist überzeugt, dass ein Wunder sie gerettet hat. Sie war 16 Jahre alt. Dresden wurde von den Engländern bombardiert, um möglichst viele Zivilisten zu töten, und weniger, um militärische Ziele anzugreifen. Vielleicht hat die Tatsache, dass der Bahnhof samt Umgebung mit Tausenden aus Schlesien fliehenden Familien, hauptsächlich Frauen und Kindern, gefüllt waren, dazu geführt, dass sie das Dresdner Zentrum umso mehr mit Bombem überschütteten.
Als ich mir am Sonntag die polnisch sprachigen Beiträge ansah, die dieser Tragödie und den Zehntausenden Toten in Dresden gewidmet waren, fand ich in den meisten Kommentaren mit Entsetzen nicht nur Gleichgültigkeit, nicht nur Lob für die Bombardierung dieser Menschen, sondern auch Hass für die Opfer. Fast 80 Jahre nach dem Krieg herrscht immer noch das Konzept der kollektiven Verantwortung für Verbrechen, das Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn. Kein Mitleid, keine Besinnung, kein Bezug zu christlichen Werten. Kommentatoren entschieden, dass es als Vergeltung für die Verbrechen des Dritten Reiches erlaubt sei, wehrlose Menschen anzugreifen.
Hinter der Front organisierten die Sieger bereits Arbeitslager für Menschen in Schlesien, die keine Zeit hatten oder nicht fliehen wollten, oder deportierten sie in die UdSSR. Ohne individuelle Schuld, ohne Urteil, oft noch minderjährig. Im Namen der kollektiven Verantwortung. Aus dem gleichen Grund durften sie nach dem Krieg und nach dem Ende der Jahre des physischen Terrors nicht wieder in Würde leben und ihre Identität, Sprache und Kultur wurde bekämpft. Das dauerte Jahrzehnte.
In der Zeit, als im Westen die Deutschen mit der Aufarbeitung ihrer schrecklichen Vergangenheit kämpften und der Wiedererlangung ihrer Fähigkeit, Mitglied der Gemeinschaft der demokratischen Staaten zu werden, wurde östlich der Elbe alles getan, um Hass zu kultivieren und vor allem, um das Prinzip der kollektiven Verantwortung für den Krieg durch Übertragung auf nachfolgende Generationen aufrecht zu erhalten. Und das zusammen mit dem Wunsch, sich zu rächen. Die Kirche versuchte, diese Kette zu durchbrechen. Ziemlich erfolglos.
Schließlich fiel der Eiserne Vorhang und alles beschleunigte sich in Polen. Das demokratische System, die Verständigung mit Deutschland, der Beitritt zur Europäischen Union. Die Rechte nationaler Minderheiten, auch der deutschen, sind festgeschrieben. Niemals auf höchster europäischer Ebene, aber doch im Bewusstsein, polnischen Bürgern, die jedoch nicht polnischer Nationalität sind, ihre Würde und ihnen das Recht wieder zu geben, ihre Sprachen in polnischen Schulen zu lernen. Und plötzlich kommt am 4. Februar 2022 die Idee der kollektiven Verantwortung mit Schwung in die Politik zurück. Die Abgeordneten der parlamentarischen Mehrheit und ihre Regierung entschieden, dass die Deutschen in Polen, genauer gesagt ihre Kinder, für den angeblich unbefriedigenden Unterricht der polnischen Sprache in der Bundesrepublik bestraft werden sollten. Die Bestrafung hat eine spezifische Dimension, indem zwei Stunden der Sprache ihrer Vorfahren pro Woche wegfallen. Oder steckt dahinter vielleicht doch dieser sorgsam gepflegte und von Generation zu Generation übertragene Hass?
Bernard Gaida