Mit viel Interesse und Freude nahm ich am Kongress in Allenstein teil, der von der Landsmannschaft Ostpreußen organisiert wurde. Einerseits, weil er aktive Mitglieder der deutschen Minderheit aus Ermland und Masuren zusammenbringt. Andererseits, weil traditionell Kommunalpolitiker unterschiedlicher Ebenen daran teilnehmen. Zusammen neigen sie sich über die Themen des gemeinsamen Kulturerbes, der Minderheitenrechte und deren Realisierung oder auch der aktuellen Lage der einzelnen Gruppen der deutschen Minderheit.
Ich wurde gebeten, über die europäische Bürgerinitiative Minority SafePack zu sprechen, die nach Jahren des Engagements unterschiedlicher Minderheiten in vielen Ländern Europas im Januar von der Europäischen Kommission abgelehnt wurde. Das brachte mich dazu, über die Schattenseiten der Demokratie in der EU zu sprechen, die es erlaubt, dass eine kleine Gruppe von Kommissaren den Willen von über einer Million EU-Bürger, ausgedrückt durch eine individuelle Unterstützung des Projekts, fällen kann.
Es ist schwer, diese Worte an dem Tag zu schreiben, an dem im EU-Parlament eine Debatte stattfindet über juristische Schritte Polens, die den Lissaboner Vertrag in Frage zu stellen, denn gleichzeitig entlarve auch ich die Schwächen von EU-Prozeduren. Doch andererseits konnte ich in Allenstein betonen, dass die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) in unserem Namen eine Klage beim Europäischen Gericht gegen die Entscheidung der Kommissare eingereicht hat und damit den in den Verträgen vorgesehenen juristischen Weg eingeschlagen hat. Denn so sieht Rechtsstaatlichkeit aus. Es ist aber auch so, dass die Idee der Initiative, der Europäischen Kommission einen Teil der Kompetenzen im Bereich der Minderheitenpolitik zu übertragen, keinen politischen, sondern praktischen Charakter hat.
Es geht nämlich darum, dass wir einen Weg suchen, die Regeln aus der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten oder der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen besser mit Leben zu füllen. Beides sind Dokumente des Europarates und wenn es bislang nicht gelingt, deren Inhalt in das europäische Rechtssystem einzuführen, dann muss man den Europarat selbst mehr motivieren, damit seine Arbeit über das passive Monitoring hinausgeht und zu einer aktiven Bemühung um die Realisierung der Dokumente wird. Das werde ich im Rahmen des Dialog Forums tun.
Ich bin aber auch von den anderen Referaten beeindruckt, vor allem von den Schlüssen Dr. Mariusz Baranowskis aus der sozialwissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Minderheit in der Oppelner Region. Diese scheinen zu untermauern, dass es wert wäre, ähnliche Analysen in anderen Regionen vorzunehmen, um zu erfahren, welche Rolle für die Deutschen unsere regionale Identität und Sprache spielen. Dieses Wissen nutzt uns gewiss dabei, die Ergebnisse der Volkszählung 2021 auszuwerten. Die Diskussionen haben bewiesen, dass es nicht langweilig ist, wenn man unterschiedliche Aspekte des Deutschseins in Polen diskutiert.
Bernard Gaida