Mit Hoffnung schaue ich auf die sich wieder öffnende Welt. Ich schreibe diese Worte in Berlin, wohin ich gereist bin zu einer Sitzung des Unterausschusses des Bundestages für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, die der Unterstützung der Deutschen im Ausland gewidmet war. Als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten versuchte ich, unseren Standpunkt darzustellen, der schon vor drei Jahren hieß, dass die Unterstützung eine Restrukturierung der Ziele braucht, aber auch konkrete Akzente in der Außenpolitik Deutschlands. Alles, um irgendwann den Teufelskreis der Konsequenzen der Diskriminierung zu durchbrechen, zu denen andere heutige soziale und politische Probleme hinzukommen.
Doch unabhängig vom Thema der Sitzung war es ein außergewöhnliches Erlebnis, wieder an einem Treffen in der realen Welt und nicht auf Entfernung teilzunehmen. Außergewöhnlich, weil es in der Einladung anfangs hieß, die Sitzung würde online stattfinden und zu meiner Freude wurde sie in eine Präsenzsitzung umgewandelt.
Dieser Optimismus steht auch hinter meiner heutigen Einladung an Sie zur traditionellen Wallfahrt der nationalen Minderheiten zur Grotte auf den St. Annaberg. Wir glauben daran, dass unter freiem Himmel, den Abstand wahrend, es uns gelingen wird, auf dem heiligen schlesischen Berg unser Dankgebet aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des VdG sowie der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages zu erheben. Wir haben uns daran gewöhnt, dass der Vertrag besteht, aber vor 30 Jahren konnten viele sich nicht ausmalen, dass diese beiden Länder gute Nachbarn sein könnten.
Das Gebet erheben wir auch von einem Berg, um den vor 100 Jahren gekämpft wurde, wobei dieser Kampf hier in Schlesien keine Sieger, sondern nur Verlierer hatte. Die Gewinner waren weit entfernt in Posen, Warschau und in Paris. Der Kampf hinterließ ein zerrissenes Schlesien, geteilte Menschen, Streit um Geschichte. Deshalb wollen wir, dass die Intention der Wallfahrt diese Jahrestage verbindet. Sie lautet: Versöhnung, Freiheit, Erneuerung.
Versöhnung braucht Freiheit und die Chance auf eine neue Qualität. Um diese Qualität des versöhnten Lebens in Schlesien werden wir genauso beten, wie wir uns täglich darum bemühen. Ebenso wie am 2. Mai, unabhängig von den staatlichen Feierlichkeiten, werden wir auch die im Jahr 1921 tragisch Gefallenen, beiderseits des Konfliktes, ehren. Die Idee der Versöhnung, zu der hier im Jahr 1983 der Papst aufgerufen hatte, muss doch endlich Realität werden.
Wir hoffen, dass wir durch diese Feierlichkeit auch die Erneuerung unseres Gemeinschaftslebens nach der Pandemie beginnen können. Deshalb freuen wir uns auf weitere Wallfahrten nach Wartha, Albendorf, Zuckmantel und Trebnitz. Wir freuen uns auf die neue Öffnung, bitten um Verantwortung und laden herzlich ein.
Bernard Gaida