Nur eine Stunde Deutsch als Minderheitensprache ist Realität geworden. Bildungsministerium diskriminiert, Gemeinden bezahlen

Nur eine Stunde Deutsch als Minderheitensprache ist Realität geworden. Bildungsministerium diskriminiert, Gemeinden bezahlen Foto: Pixabay

Am ersten September kehren in Polen Tausende Kinder und Jugendliche in die Schule zurück. Als Folge der Anfang Februar dieses Jahres vom polnischen Bildungsministerium (MEiN) eingeführten Einordnung wird jedoch der Stundenplan für Tausende von Schülern, die den Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache besuchen, deutlich reduziert. Rafał Bartek, Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, erklärt in einem an die Schulen gerichteten Brief: „Das neue Schuljahr 2022/2023 wird das erste Jahr in der Geschichte des freien Polens nach 1989 sein, in dem Kinder polnischer Staatsbürger deutscher Staatsangehörigkeit strukturell diskriminiert werden.“

Als Folge der am 4. Februar dieses Jahres eingeführten Verordnung des polnischen Ministeriums für Bildung und Wissenschaft, mit der die Mittel für den Unterricht von Deutsch als nationale Minderheitensprache gekürzt wurden, werden Tausende von Kindern – statt wie bisher dreimal – diese Sprache nur einmal pro Woche lernen. Die Veränderungen betreffen nur eine aller nationalen und ethnischen Minderheiten, die im Land leben: die deutsche. Der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen bemühte sich seit Monaten darum, dass die Entscheidung der polnischen Regierung revidiert wird; trotzdem wurde die Entscheidung nicht geändert und die MEiN-Verordnung blieb in Kraft.

Im Kontext der zuletzt angespannten Beziehungen zwischen Polen und Deutschland fühlt sich die deutsche Minderheit in Polen instrumentalisiert. „Unserer Meinung nach ist es inakzeptabel, dass man − anstelle von diplomatischen Lösungen − Maßnahmen einführt, die die Kinder diskriminieren, die somit ein Werkzeug für missverstandene politische »Verhandlungen« sein sollen“, fasst die Entscheidung des Ministeriums VdG-Vorsitzender Rafał Bartek zusammen. Er fährt fort: „In einer Situation, in der die Kenntnis von Sprachen eine zentrale soziale Kompetenz und für Minderheitenkreise eine Voraussetzung für das Überleben ihrer Kultur und ihres Erbes ist, bringen solche Handlungen nicht nur keine Lösung, sondern zerstören direkt die Errungenschaften vieler Generationen von Bürgern der Republik Polen.“

Trotz der Kürzung der Ministerialmittel beschlossen einige Selbstverwaltungen, zusätzliche Stunden aus dem Haushalt der Gemeinden zu finanzieren. Die Antworten auf die Umfrage, die der VdG an die drei Woiwodschaften geschickt hat, in denen der Unterricht der Minderheitensprache von den meisten Studierenden genutzt wird, zeigen, dass der Deutschunterricht in insgesamt 39 Gemeinden aus den Mitteln der Selbstverwaltungen bezahlt wird in der Hoffnung, dass die Regelung zur Diskriminierung der deutschen Minderheit aufgehoben wird. Allein in der Woiwodschaft Oppeln trifft dies auf 33 von 54 Gemeinden zu (17 Gemeinden subventionieren eine Stunde, weitere 16 Gemeinden: zwei Stunden). In der Woiwodschaft Schlesien zahlen für das Sprachenlernen fünf Gemeinden extra; davon sind es vier, die eine Stunde und eine Gemeinde, die zwei Stunden des Unterrichts zusätzlich bezahlen. Von 18 Gemeinden in der Woiwodschaft Ermland-Masuren, in denen Deutsch als Minderheitensprache unterrichtet wird, bezahlt eine Gemeinde für den Unterricht dieser Sprache. Dort werden weitere zwei Stunden finanziert, wodurch die Anzahl der Unterrichtsstunden in dieser Sprache unverändert bleibt (Stand 30.08.2022).

Der VdG-Vorsitzende sprach bei den lokalen Regierungen, die eine solche Entscheidung getroffen haben, seinen Dank aus. In seinem Brief an die Direktorinnen und Direktoren der Schulen betonte er:

„Danke für Ihr klares Signal in den lokalen Gemeinschaften, dass Kinder das Wichtigste sind und dass Sie damit nicht zustimmen, dass es eine Diskriminierung und Stigmatisierung aus nationalen Gründen geben darf! Die Gemeinden, die noch keine solche Entscheidung getroffen haben, ermutige ich sehr, dies zu tun. Denn es ist nie zu spät, offen bestmögliche Bildungsperspektiven für zukünftige Generationen einzufordern. Ich danke auch den Behörden der Bildungseinrichtungen, die von den Verbänden verwaltet werden, die solche Entscheidungen getroffen haben. In besonderer Weise danke ich den Lehrern und Eltern, für die die deutsche Sprache einen Wert hat und die sie an zukünftige Generationen weitergeben und trotz dieser Schwierigkeiten um ihr Überleben streben wollen.“

Der vollständige Text des Schreibens des VdG-Vorsitzenden:

Brief des VdG-Vorsitzenden an die Direktorinnen und Direktoren der Schulen
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