Antwort des Präsidentschaftskandidaten Szymon Hołownia auf die Fragen des VdG hinsichtlich Minderheitenangelegenheiten

Antwort des Präsidentschaftskandidaten Szymon Hołownia auf die Fragen des VdG hinsichtlich Minderheitenangelegenheiten

Der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen hat Briefe mit Fragen hinsichtlich der Minderheitenangelegenheiten an die Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Republik Polen geschickt. Diese Briefe wurden geschickt an: Rafał Trzaskowski, Szymon Hołownia, Sławomir Mentzen, Magdalena Biejat, Adrian Zandberg und Karol Nawrocki. Bisher haben wir nur von Herrn Szymon Hołownia ausführliche Antworten auf die von dem Verband gestellten Fragen erhalten. Den Inhalt der Fragen sowie die Antworten finden Sie unten.

Gleichzeitig möchten wir darüber informieren, dass Herr Szymon Hołownia alle Mitglieder der Deutschen Minderheit zu offenen Treffen eingeladen hat, die am 9. April 2025 in Krappitz (um 16:00 Uhr auf dem Eichendorff-Platz) und in Oppeln (um 18:30 Uhr in der Öffentlichen Stadtbibliothek) stattfinden werden. Das Treffen in Krappitz ist dabei von besonderer Bedeutung, da es insbesondere mit dem Gedanken an die deutsche Minderheit organisiert wurde und somit die Möglichkeit bietet, die für diese Gemeinschaft wichtigen Themen zu diskutieren.

Einladung des Präsidentschaftskandidaten Szymon Hołownia zu einem offenen Treffen in Krappitz

 

Der Verband hat insgesamt 12 Fragen zum Thema Minderheiten gestellt. Die Antworten von Herrn Szymon Hołownia lauten folgendermaßen:

1.Wie stehen Sie zu Multikulturalität und Bevölkerungsgruppen mit anderer Nationalität als die polnische? Sind Sie der Meinung, dass die nationalen Minderheiten in Polen, wie in anderen Ländern der Fall ist, auch über kulturelle Autonomie und eigene kulturelle Einrichtungen wie Kulturzentren, Theater und Verlage verfügen sollten?

Polen ist seit vielen Jahrhunderten ein multikulturelles Land, und das ist unser großer Reichtum. Ich habe keine Angst vor der Vielfalt, ich komme selbst aus einem Ort, an dem sich Nationen und Sprachen vermischen, und ich weiß, dass uns das stärkt und nicht schwächt. Nationale und ethnische Minderheiten haben jedes Recht, ihre Identität, Sprache und Kultur zu pflegen, und ihr Erbe ist Teil des polnischen Kulturerbes. Deshalb betrachte ich die Entwicklung von Bildungs- und Kultureinrichtungen für nationale Minderheiten als eine Aufgabe des polnischen Staates.

2. Werden Sie als Präsident die Maßnahmen zur Förderung und Stärkung der Akzeptanz der in Polen lebenden nationalen und ethnischen Minderheiten sowie ihrer Kulturen und Sprachen unterstützen?

Ja, und zwar aktiv! Es reicht nicht aus, über Akzeptanz zu reden – man muss auch etwas tun, um sie zu erhöhen. Ich werde an wichtigen kulturellen Veranstaltungen der Minderheiten teilnehmen, mich mit ihren Vertretern treffen und Bildungsprogramme zur Förderung des multikulturellen Erbes Polens unterstützen. Wie Sie wissen, habe ich aufgrund des Mangels eines Vertreters der nationalen und ethnischen Minderheiten im Sejm Herrn Ryszard Galla zum Berater des Sejmmarschalls ernannt. Wenn ich Präsident werde, wird eine ähnliche Stelle geschaffen werden. Natürlich werde ich auch sofort das Gesetz über die schlesische Sprache unterzeichnen, gegen das der derzeitige Präsident sein Veto eingelegt hat. Ich werde in ständigem Dialog mit den Vertretern aller Minderheiten bleiben, und Treffen wie unseres vor einem Jahr werden regelmäßig in meinem Kalender stehen.

3. Wie beurteilen Sie die in Polen und Europa zunehmenden Tendenzen zur Radikalisierung patriotischer Haltungen hin zu nationalistischen und fremdenfeindlichen Einstellungen? Wie werden Sie als Präsident auf diese Tendenzen reagieren?

Patriotismus ist die Liebe zum eigenen Land, nicht der Hass gegen andere. Die Welle des Nationalismus und der Fremdenfeindlichkeit, die durch Europa zieht, beunruhigt mich nicht nur, sondern stößt auch auf starken Widerstand. Als Sejmmarschall bringe ich dies zum Ausdruck, indem ich mich an Initiativen zur Bekämpfung von Hassreden, Diskriminierung und fremdenfeindlichem Verhalten beteilige. Ich habe den Sejm der Republik Polen für unterschiedliche Ansichten und unterschiedliche Menschen geöffnet, was natürlich auf massive Kritik aus nationalistischen Kreisen stößt. Diese Angriffe bestärken mich nur in meiner Überzeugung, dass es notwendig ist, die Menschen immer wieder daran zu erinnern, dass Demokratie nicht das Diktat der Mehrheit ist, sondern die Herrschaft der Mehrheit mit Respekt für die Rechte der Minderheit. Das ist die Position, die ich jetzt als Abgeordneter einer Region, die durch nationale Minderheiten bereichert ist, vertrete und die ich als Präsident auch einnehmen werde.

4. Welche Bedeutung haben Ihrer Meinung nach die deutsch-polnischen Beziehungen und wie sollten sie sich angesichts der engen Nachbarschaft, der wirtschaftlichen und sozialen Verbindungen, aber auch der schwierigen Geschichte weiterentwickeln? Was sollte Ihrer Meinung nach getan werden, um sie freundschaftlich und entwicklungsfördernd für beide Seiten zu gestalten?

Polen und Deutschland sind Nachbarn, Wirtschaftspartner, aber auch Länder mit einer schwierigen Geschichte. Wir müssen diese Geschichte in Erinnerung behalten, aber wir dürfen uns nicht als Geiseln dieser Geschichte fühlen. Gute Beziehungen zu Deutschland sind von zentraler Bedeutung für die Sicherheit und die Wirtschaft sowohl für Polen als auch für Deutschland. Wir müssen auch die tägliche Partnerschaft im Bereich der Kultur, Bildung und Wissenschaft ausbauen. Damit all dies geschehen kann, muss man die Menschen erst einmal handeln lassen. Sie wissen sehr gut, wie hervorragend die deutsch-polnische Zusammenarbeit auf der Ebene der Kommunen, der Nichtregierungsorganisationen, der Schulen, der Universitäten und der kulturellen Einrichtungen funktioniert. Die nachbarschaftliche Zusammenarbeit sollte in erster Linie von den Menschen gestaltet werden, und beide Länder sollten sie aktiv unterstützen.

5. Halten Sie es für notwendig, die Verpflichtungen umzusetzen, die sich aus den von der Republik Polen ratifizierten internationalen Rechtsvorschriften zum Schutz der Minderheitenrechte ergeben, insbesondere aus dem „Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten“ und der „Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“?

Wir haben diese Konventionen unterzeichnet und sollten sie unverzüglich umsetzen, wie wir es immer in solchen Situationen machen. Dabei geht es jedoch nicht nur um rechtliche und internationale Verpflichtungen. Es geht um den Respekt gegenüber polnischen Bürgern, die zu nationalen Minderheiten gehören; um den Respekt gegenüber den Kulturen und Sprachen, die uns bereichern und die wir so gut wie möglich pflegen sollten.

6. Die Berichte über die von Polen umgesetzten Verpflichtungen, die sich aus der Ratifizierung der oben genannten europäischen Dokumente ergeben, zeigen, dass die Umsetzung in vielen für die Minderheiten wichtigen Bereichen mangelhaft ist. Werden Sie etwas dagegen unternehmen, und wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie ergreifen? Dies betrifft insbesondere den Mangel an Kindergärten und Schulen mit der Minderheitensprache als Unterrichtssprache für die Mehrheit der Minderheitengemeinschaften, einschließlich des Deutschunterrichts.

Die Tatsache, dass es in Polen einen Mangel an Kindergärten und Schulen mit dem Unterricht Minderheitensprache gibt, ist ein ernstes Problem. Ich bin fest davon überzeugt, dass die internationalen Verpflichtungen Polens zum Schutz nationaler und ethnischer Minderheiten vollständig umgesetzt sein sollten. Als Präsident werde ich Maßnahmen ergreifen, um dies zu ändern – von der Initiierung von Förderprogrammen bis hin zur Zusammenarbeit mit der Regierung und den lokalen Behörden. Bildung ist der Schlüssel zur Bewahrung von Kultur und Sprache, daher werde ich mich für das Funktionieren von Bildungseinrichtungen für Minderheiten einsetzen. Der Staat sollte Bürgerinitiativen für Bildung und Ausbildung unterstützen.

7. Würden Sie als Präsident eine Änderung des Gesetzes über nationale und ethnische Minderheiten und Regionalsprachen unterstützen (oder haben Sie diese selbst initiiert?), unter anderem im Hinblick auf die Absenkung der Schwelle, die in einem vereinfachten Verfahren die Einführung von zweisprachigen Schildern und der Minderheitensprache in Gemeindeämtern (von 20 % auf z.B. 5 %) ermöglicht? Andere europäische Länder wie Österreich und die Tschechische Republik haben die Schwellenwerte längst gesenkt, und eine entschiedene Absenkung der prozentualen Schwelle wird u.a. vom Expertenausschuss des Europarates empfohlen.

Ja, ich würde es unterstützen. Und nicht nur unterstützen, sondern auch initiieren. Als Sejmmarschall habe ich diesbezüglich bereits Maßnahmen ergriffen. Im Mai 2024 habe ich den ehemaligen Abgeordneten und Mitglied der deutschen Minderheit, Ryszard Galla zum Berater für nationale und ethnische Minderheiten ernannt. Dies ist ein historischer Schritt, denn es ist das erste Mal, dass eine solche Position im polnischen Parlament geschaffen wurde, wodurch die Vertretung der Minderheiten im Gesetzgebungsprozess gestärkt wurde. Darüber hinaus hat die polnische Abgeordnete Polska 2050 am 21.02.2025 im Sejm einen Entwurf zur Novellierung des Gesetzes über nationale und ethnische Minderheiten und Regionalsprachen vorgelegt, der darauf abzielt, jeder Kultur und Sprache einen Platz in der öffentlichen Debatte einzuräumen und den Vertretern der Minderheiten in der Gemeinsamen Kommission organisatorische und fachliche Unterstützung zu bieten.

Polen sollte sich an die europäischen Standards anpassen – wie es Österreich oder die Tschechische Republik getan haben. Die Absenkung dieser Schwelle ist ein Schritt in Richtung einer besseren Integration und eines größeren Respekts gegenüber Minderheiten.

8. Würden Sie weitere Änderungen im Gesetz über nationale und ethnische Minderheiten unterstützen, die darauf abzielen, den Assimilationsprozessen von Minderheitengemeinschaften besser entgegenzuwirken, deren Reichtum für die Republik darin besteht, dass diese Gemeinschaften ihre kulturelle und sprachliche Besonderheit bewahren?

Ja. Der Schlüssel zum Aufhalten der Assimilierung liegt in einer besseren Finanzierung der Kultureinrichtungen, einem gut organisierten Unterricht der Minderheitensprachen in den Schulen und einer Vereinfachung der Verfahren im Zusammenhang mit dem Gebrauch dieser Sprachen in den Ämtern.

9. In vielen Ländern (nicht nur in der EU) sind die öffentlich-rechtlichen Medien dazu verpflichtet, eigene Kanäle einzurichten, die Programme in nationalen Minderheitensprachen ausstrahlen. In Polen werden Sendungen in diesen Sprachen nur in einer begrenzten Zeit ausgestrahlt. Sind Sie der Meinung, dass es zum Beispiel in Oberschlesien, wo ein großer Teil der Deutschen in Polen lebt, Medien geben sollte, die in deutscher Sprache senden? Würden Sie beabsichtigen, eine solche Erwartung zu verwirklichen?

Ja, ich denke, dass Minderheiten einen besseren Zugang zu Medien in ihrer eigenen Sprache haben sollten. Viele Länder haben eigene Fernsehkanäle für nationale Minderheiten, und das ist der Standard, nach dem wir streben sollten. Als Präsident werde ich mich für die stärkere Präsenz von Minderheitensprachen in den öffentlichen Medien einsetzen.

10. In der gegenwärtigen Legislaturperiode des polnischen Parlaments gibt es keinen Vertreter nationaler und ethnischer Minderheiten im Sejm und Senat, der direkt aus der Liste eines nationalen oder ethnischen Minderheitenkomitees gewählt wird. Werden Sie als Präsident Maßnahmen zur wirklichen politischen und staatsbürgerlichen Beteiligung der nationalen Minderheiten unterstützen? Zum Beispiel durch die Einführung gesetzlicher Lösungen, die man auch aus anderen europäischen Ländern kennt und die die Vertretung der nationalen Minderheiten im Parlament und damit ihre wirkliche Beteiligung am politischen Leben des Landes garantieren?

Das Problem der fehlenden direkten Vertretung von Minderheiten im Parlament erfordert eine systemische Lösung. Ich bin für die Einführung von Lösungen, die den Vertretern der Minderheiten Sitze im Sejm und Senat garantieren. Ich wiederhole, dass die Stimme der Minderheit im Sejm, wo die Stimme aller Bürger der Republik erklingen muss, anwesend sein sollte. Deshalb habe ich Ryszard Galla nominiert, um die Lücke im Rechtssystem auszufüllen.

11. Stimmen Sie zu, dass in Bezug auf die Rechte nationaler Minderheiten das Prinzip der Gegenseitigkeit in Beziehungen zu anderen Staaten nicht gelten sollte und dass das Wohlergehen der polnischen Bürger, die nationalen Minderheiten angehören, der einzige Maßstab für diese Rechte sein sollte?

Die Menschenrechte dürfen nicht ein Gegenstand von politischen Verhandlungen sein. In Bezug auf die Rechte der nationalen Minderheiten sollte es kein Prinzip der Gegenseitigkeit geben. Es handelt sich um grundlegende Menschenrechte, die nicht Gegenstand politischer Verhandlungen sind. Der einzige Maßstab für diese Rechte sollte das Wohlergehen der polnischen Bürger sein, die nationalen Minderheiten angehören. Ich bedauere sehr, dass nicht alle Länder unsere polnische Denkweise in dieser Hinsicht teilen, und es kommt vor, dass Bürger anderer Länder mit polnischer Staatsangehörigkeit zu einer Art „Geisel“ der nationalen Politik werden.

12. Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit, in unserem Fall mit polnisch-deutscher, haben einen schwierigen Zugang zu bestimmten Stellen wie Richter oder Staatsanwalt. Was können Sie tun, um diese Ungleichheit der Bürger in Bezug auf die von der Verfassung garantierten Rechte zu beseitigen?

Das Problem des ungleichen Zugangs zu bestimmten Stellen für Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit muss dringend angegangen werden. Als Präsident werde ich Gesetzesänderungen einleiten, um diese Beschränkungen zu beseitigen. In der Zeit der europäischen Integration sollte die doppelte Staatsangehörigkeit kein Hindernis für die volle Teilnahme am öffentlichen Leben sein.

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