Pest in Gleiwitz

Pest in Gleiwitz

Mein Montagspost auf FB begann mit den Worten: „Kranker Nationalismus in Polen lebt weiter“. Anlass dafür war die Beschwerde eines Gleiwitzer Stadtratsmitglieds bei der Agentur für innere Sicherheit (ABW) gegen einen bekannten Geschichtslehrer und Sozialaktivisten.

Er warf ihm „ein bewusstes und wiederholtes Handeln gegen das nationale Interesse der Republik Polen“ vor.

Der Grund war der Antrag von Herrn Seweryn Botor an den Stadtrat von Gleiwitz, des jüdischen Juristen Arthur Kochmann aus Gleiwitz und Vorsitzenden der Synagogengemeinde, der die Aktionen von Franz Bernheim als Anwalt unterstützte, zu gedenken. Dieser war seit 1931 Angestellter des Deutschen Familien-Kaufhauses in Gleiwitz, aus dem er als Jude im März 1933 nach der Machtergreifung Hitlers entlassen wurde. Ab April bereitete er, bereits in Kattowitz ansässig, gemeinsam mit Arthur Kochmann und dem Beuthener Rechtsanwalt Georg Weißmann eine Beschwerde an den Völkerbund vor, in der sie Bernheims Entlassung anfochten, aber auch auf eine Reihe anderer Verstöße gegen die „Genfer Konvention über Oberschlesien“ in Bezug auf die jüdische Bevölkerung hinwiesen.

Dieses Dokument ging als Bernheim-Petition in die Geschichte ein, die das Dritte Reich zwang, die Genfer Konvention bis zum Ende ihrer Gültigkeit, d.h. 1937, anzuwenden. Wohlgemerkt, vermutlich gerade dadurch genoss auch die damalige polnische Minderheit bis zu diesem Jahr ihre Rechte. Selbst die Nürnberger Rassengesetze von 1935 galten bis dahin in Oberschlesien nicht. Eine ausführlichere Darstellung dieser einzigartigen Geschichte findet sich in Leszek Jodlińskis Buch „Puste krzesła” (Leere Stühle).

Seweryn Botor, der von Olaf Pest attackiert wurde, ist der Ansicht, dass diese wenig bekannte Bernheim-Petition, die von einem Gleiwitzer, Arthur Kochmann, mitverfasst wurde, in Gleiwitz ein Grund zum Stolz  sein sollte und ihr Autor als Verteidiger der Minderheitenrechte in einer Zeit, in der der Widerstand gegen die Obrigkeit teuer zu stehen kam, in angemessener Weise gewürdigt werden sollte. Die Petition rettete viele jüdische Familien. Kochmann selbst starb in Auschwitz.

Zur Zeit des Plebiszits von 1921 trat Arthur Kochmann dezidiert für den Verbleib Oberschlesiens in Deutschland ein. Dies brachte ihm in der Weimarer Republik die Dankbarkeit der Gleiwitzer Bürger ein. Er wurde Ehrenbürger der Stadt und sogar Vorsitzender des Stadtrates. Und genau das ist der Grund für die Anzeige bei der ABW. Für Olaf Pest ist das mutige Eintreten gegen die rassistische Politik des Dritten Reiches unerheblich. Für ihn ist Kochmann der Inbegriff von Deutschen, die gemeinsam mit „revisionistischen und antipolnischen“ Kreisen „gegen die polnische Souveränität gehandelt haben“. Als ob das Plebiszit nicht über einen kleinen Teil der polnischen Grenze, sondern über die Unabhängigkeit Polens entscheiden sollte und als ob Pest nicht verstanden hätte, dass diese demokratische Formel ein uneingeschränktes Bekenntnis aller Bewohner des multikulturellen Schlesiens voraussetzte.

Ich weiß nicht, wie Pest zur katholischen Kirche steht, aber wenn er konsequent sein will, sollte er auch gegen Johannes Paul II. eine Anzeige bei der ABW einreichen. Immerhin hat er Edith Stein, eine Jüdin aus Schlesien, selig gesprochen, obwohl sie am Plebiszit in Lublinitz teilgenommen und mit ihrer großen Familie für Deutschland gestimmt hat. Wie sie selbst in ihrer Autobiografie schreibt, war sie verbittert über die Entscheidung, die Stadt trotz der Mehrheit der Stimmen für Deutschland an Polen zu vergeben. Ich schlage vor, dass sie die Kirchenbehörden in Polen auffordert, den Kult dieser Heiligen zu verbieten und die nach ihr benannten Kirchen zu schließen. Ich möchte Herrn Pest darauf aufmerksam machen, dass es in der ul. Bałtycka in Gleiwitz eine katholische Oberschule der Stiftung „Edith-Stein-Schule mit Charakter“ gibt. Oh Schreck! Das ist ja auch eine Form des Gedenkens an eine Person, die laut Pest 1921 antipolnische und revisionistische Positionen vertrat. Seinen Nachnamen Pest lasse ich schon mal unkommentiert…

Bernard Gaida

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