Rede des VdG-Vorsitzenden R. Bartek anlässlich des Jahrestages der “Tragödie der Deutschen im Osten”

Rede des VdG-Vorsitzenden R. Bartek anlässlich des Jahrestages der “Tragödie der Deutschen im Osten”

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir treffen uns traditionell jedes Jahr am letzten Sonntag im Januar, um den Opfern der Tragödie der Deutschen im Osten zu Gedenken. Hier in der Region sprechen wir oft von den Opfern der Oberschlesischen Tragödie, aber wir wissen, dass es Opfer dieser Ereignisse nicht nur hier in Oberschlesien gab, aber auch in anderen Regionen des damaligen Deutschen Ostens. Wir versammeln uns aber hier, weil es gerade hier, in Lamsdorf einen der Lager gab, von denen unsere Vorfahren immer wieder erzählt und ihn als einen Ort der Grauens und des menschlichen Verderbens, des menschlichen Untergangs beschrieben haben. Die Einen sind hier verstorben. Und die Anderen haben hier ihre Menschlichkeit verloren indem sie diese Menschen nur aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit gefoltert und umgebracht haben.

Hier in Lamsdorf hatten wir das Glück, dass es nach den demokratischen Veränderungen in Polen und in unserem Teil Europas Menschen gab, die dafür sorgten, dass die Erinnerung an diesen Ort und an diese Ereignisse erhalten blieb. Menschen, die dafür gesorgt haben, dass diesem Ort ein würdiges Gedenken zuteil wird, und die schließlich auch dafür gesorgt haben, dass es eine Dauerausstellung gibt, die die Geschichte dieser Zeit erzählt. 1995 wurde eine Gedenkstätte für die Opfer des so genannten “Arbeitslagers” eingeweiht, das, wie in den Gründungsdokumenten der Versammlung, die das Lager einrichtete, zu lesen ist, ein “Konzentrationslager für Deutsche” war. Nach Überwindung vieler Hindernisse gelang es schließlich am 16.09.2002 dem Marschallamt der Woiwodschaft Oppeln und dem damaligen Marschall Ryszard Galla sowie dem Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen unter dem damaligen Vorsitz von Friedrich Petrach aus Breslau, einen symbolischen Friedhof mit Tafeln mit den Namen der Opfer dieses Lagers einzuweihen.

Damals sagte Marschall Ryszard Galla bei der Einweihung dieses Friedhofs u.a.: “Auch heute können wir mit Stolz sagen, dass Polen und Deutsche gemeinsam den Schmerz dieses Ortes überwinden, dass dank unserer gemeinsamen Anstrengungen eine weitere Mauer gefallen ist, die auf falschem Schweigen über die schwierigen Seiten unserer Geschichte errichtet wurde. Dadurch haben wir die Kraft gewonnen, eine Zukunft aufzubauen, in der die Symbolik von Lamsdorf ein wichtiges Element zur Vertiefung und Stärkung der polnisch-deutschen Versöhnung, Verständigung und Zusammenarbeit sein wird.”

Diese Worte haben nicht an ihrer Aktualität verloren. Obwohl zwei Jahrzehnte vergangen sind, sehen wir, dass an den anderen Erinnerungsorten dieser Tragödie der Deutschen im Osten solche gepflegten und durchdachten Denkmäler fehlen. Seit Jahrzehnten dauert die Diskussion um das Denkmal der Opfer des Lagers in Zgoda in Swientochlowitz an und diejenigen die sich am meisten für die Erinnerung an diesen Ort des Grauens einsetzen, haben heute keine Garantie, dass wenn dort endlich ein Denkmal entstehen wird, es auch objektiv und frei von jeglicher Ideologie sein wird. An vielen anderen Orten, die auf der Karte in der ständigen Ausstellung in den Mauern des Museums zu sehen sind, gibt es überhaupt keinen Vermerk darüber, was 1945 mit der einheimischen, deutschen Bevölkerung geschah.

Wir dürfen diese Ereignisse und Orte nicht vergessen. Sie sind Teil unseres Erbes, Teil einer Botschaft, die weitergehen muss, denn nur im Bewusstsein der damaligen Gräueltaten können wir immer wieder Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen, Schlussfolgerungen darüber, was im Leben wirklich wichtig und relevant ist. Das dürfen wir auch im Zusammenhang mit der Aggression Russlands gegen die Ukraine und dem schrecklichen Krieg, der dort seit fast einem Jahr herrscht, nicht vergessen. Auch dort sterben Menschen, auch dort werden Zivilisten ermordet, und auch dort verlieren die Täter ihre Menschlichkeit.

Wir können dies auch nicht vergessen, wenn wir die gegenwärtigen politischen Debatten betrachten, in denen einige der herrschenden Eliten versuchen, uns Deutschen, die seit Generationen in Polen leben, zu sagen, dass unsere Kultur und unsere Sprache weniger wert sind als die polnische Kultur und Sprache, aber auch als die Kultur anderer nationaler Minderheiten, die in Polen leben. Denken wir also daran, dass das, was bereits geschehen ist, nicht mehr geändert werden kann, aber es liegt an uns, welche Schlüsse wir daraus ziehen und wie wir es in unserer Erinnerung bewahren. Genauso wie es in unseren Händen liegt, für den Fortbestand des deutschen, einschließlich des schlesischen, kulturellen und sprachlichen Erbes dieses Landes zu sorgen.

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