Schlesisches Erbe

Schlesisches Erbe

Das Internet in Oberschlesien war in der letzten Zeit wie elektrisiert aufgrund der Vorlage der „Stellungnahme der Regierung zur Vorlage der Abgeordneten einer Gesetzesnovelle über die nationalen und ethnischen Minderheiten sowie die Regionalsprache“. Trotz der enigmatisch klingenden Bezeichnung ist klar, dass es hierbei um den Versuch geht, das Gesetz so zu ändern, dass eine weitere Regionalsprache neben dem Kaschubischen eingetragen wird. Diese zweite Sprache sollte das Schlesische sein.

Auf den Seiten des Dokumentes machen sich die Autoren die Mühe zu beweisen, dass der schlesische Ethnolekt nur ein Dialekt der polnischen Sprache ist und deswegen nicht Teil des Gesetzes werden kann. Da ich kein Sprachwissenschaftler bin, will ich nicht auf die Einzelheiten der Diskussion eingehen, aber als Schlesier bin ich trotz meiner deutschen Nationalität auch Nutzer dieser für die einen Sprache und für die anderen Mundart. Ohne juristisch-linguistische Überlegungen will ich hier einige Gedanken niederschreiben.

In nicht ganz zwei Wochen begehen wir den 100. Jahrestag der Volksabstimmung auf einem großen Teil Oberschlesiens. Einer Volksabstimmung, die den damaligen polnischen Funktionären mit Roman Dmowski an der Spitze bis an die Oder als bereits gewonnen galt, denn auch deutsche Quellen schienen darauf hinzudeuten. Augustin Weltzel schrieb in seiner „Geschichte der Stadt und Herrschaft Guttentag”: „Schon vor 200 Jahren hieß das rechte Ufer die polnische, das linke die deutsche Seite“. Im nächsten Satz schrieb er dann, dass die meisten hier eine „slawische“ Sprache sprechen. Wie groß musste dann die Verwunderung sein, als klar wurde, dass das vermeintlich „polnische“ Oderufer mehrheitlich für den Verbleib bei Deutschland stimmte. Oberschlesien hat bewiesen, dass die Sprache nicht Synonym für Nationalität ist.

Als mein 16-jähriger Vater 1945 nach der Flucht in seine Nachkriegsheimat zurückkehrte und nur Deutsch sprach, lernte er schnell das sog. Wasserpolnisch, um den Folgen des rücksichtslosen Kampfes des polnischen Staates mit der deutschen Sprache zu entgehen. Gleichzeitig konnte er damit klar seine kulturelle Andersartigkeit und paradoxerweise auch seine deutsche Identität betonen. Diese Sprache, die voller Germanismen war, war für die Polen hermetisch und unverständlich. So wurde sie für Tausende in Oberschlesien diskriminierte Deutsche zu einem Fluchtpunkt. Und wieder zeigte Oberschlesien, dass die Sprache nicht Synonym der Nationalität und dass Oberschlesisch auch ein Erbe der deutschen Minderheit ist.

Schade also, dass der Staat die Versuche, dieses Erbe zu schützen sehend, sich darauf begrenzt, sie abzuschmettern ohne überzeugende Vorschläge zur Bewahrung des sprachlichen Reichtums Oberschlesiens. Dabei reicht es doch nur auf die Erfahrungen manch anderer europäischer Staaten zu schauen.

Bernard Gaida

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