In der ungarischen Stadt Pecs, deutsch Fünfkirchen und kroatisch Pećuh, fand ein weiterer FUEN-Kongress statt. Unter Dutzenden von Minderheitenorganisationen aus ganz Europa waren auch deutsche Minderheiten aus mehr als 10 Ländern vertreten, darunter auch der VdG.
Ungarn ist ein Land, das in vielen kontroversen Fragen innerhalb der EU eine ähnliche Politik verfolgt wie die polnische Regierung. Es gibt jedoch ein Thema, bei dem sie sich wie Himmel und Hölleunterscheiden. Als Mitglied der Gemeinsamen Kommission der Regierung und der Minderheiten (derzeit musste ich meine Tätigkeit aus Protest gegen die Diskriminierung unterbrechen) bin ich mit einer ständigen Kluft zwischen den Erwartungen der nationalen und ethnischen Minderheiten und der Bereitschaft der Regierung, diese zu erfüllen, konfrontiert.
Nun werden mir die Folgen der bereits eingeführten Diskriminierung deutscher Kinder in den Schulen immer wieder schmerzlich bewusst. Nicht nur die Regierung, sondern auch der Bürgermeister von Guttentag ignoriert die Petitionen der Einwohner, die eine zusätzliche Stunde Deutsch in der Gemeinde wünschen. Die Trägheit bei der Umsetzung internationaler Verpflichtungen im Rahmen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen oder die Gleichgültigkeit gegenüber Verstößen gegen das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten ist ermüdend. Mehrere Berichte des Europarats, in denen auf das völlige Fehlen von Schulen hingewiesen wird, in denen Sprachen wie Deutsch, Ukrainisch, Weißrussisch usw. unterrichtet werden, werden ignoriert. In Polen gibt es keine kulturellen Einrichtungen für Minderheiten, und der Zugang zu Medien mit Programmen in Minderheitensprachen ist mehr als dürftig.
Als die Kongressgäste am Freitagmorgen den Berichten von Vertretern verschiedener Minderheiten in Ungarn lauschten, war ich neidisch, dass die polnische Regierung in diesem Bereich nicht dem Beispiel Ungarns folgte. Einem Land, in dem den nationalen Minderheiten seit dreißig Jahren kulturelle Autonomie garantiert wird, in dem es nicht nur Hunderte von Minderheitenschulen gibt, sondern das diese zusammen mit ihren Finanzen in die Verwaltung von Minderheitenorganisationen überführt und ihnen erlaubt hat, den staatlichen Lehrplan zu ergänzen – nicht nur mit Sprachunterricht, sondern auch mit Geschichte, Traditionen und regionalen Tänzen. Es wurden Theater mit einem Repertoire in Minderheitensprachen gegründet und durch entsprechende Anpassung des Wahlgesetzes wurde jeder der 13 nationalen Minderheiten ein Pflichtsitz im Parlament eingeräumt.
All dies gilt nicht nur für die große deutsche oder Roma-Minderheit, sondern auch für die kleine, nur wenige Tausend Mitglieder zählende polnische oder bulgarische Volksgruppe. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in der ungarischen Botschaft in Berlin stolz eine Ausstellung mit Kunst deutscher Künstler aus Ungarn gezeigt wird. Ist es in einem solchen Land verwunderlich, dass bei nachfolgenden Volkszählungen die Zahl der Bürger, die ihre deutsche Nationalität angeben, rapide zunimmt? Schließlich handelt es sich nicht nur um eine nationale Identifikation, sondern auch um eine Vertrauensbescheinigung für das Wohnsitzland. Ein Rückgang der Angaben anderer als der polnischen Nationalität bei der hiesigen Volkszählung ist eine gelbe Karte der Bürger für die Regierung in Warschau.
Bernard Gaida