„Es beginnt im Kleinen“

„Es beginnt im Kleinen“

Die Verabschiedung des als „lex Tusk" bekannten Gesetzes wurde von einigen auf das Problem zurückgeführt, Polen auf der internationalen Bühne lächerlich zu machen. Vor allem nach der Rede von Präsident Andrzej Duda, der das Gesetz unterzeichnete, um es drei Tage verändern zu wollen. Es wäre lächerlich, wenn es nicht so viele negative Folgen nach sich zöge, wenn das Gesetz nicht so viel Unrecht vorausahnen ließe und wenn es das Land, in dem wir leben, nicht an den Rand der Gemeinschaft der demokratischen Länder drängen würde. Jeden Tag melden sich Oppositionspolitiker in den unabhängigen Medien zu Wort, Experten brechen die Zusammenarbeit mit dem Präsidenten ab und am Sonntag protestierten Hunderttausende auf der Straße. Das Ausmaß der Proteste und ihre Begründung, die auf mehr als ein Dutzend Verfassungsverstöße hinweist, ist offensichtlich. Manche fragen, ob die Abgeordneten, die für dieses verfassungswidrige Gesetz gestimmt haben, sich dieser Rechtswidrigkeit nicht bewusst waren. Natürlich waren sie sich dessen bewusst. Und das ist das Schlimmste, denn es bedeutet, dass das, was in Ländern mit autokratischen Systemen üblich ist, in denen Recht und Gerechtigkeit den Interessen der Machthaber untergeordnet werden, allmählich hier eintritt.

Ich wäre jedoch nicht ich selbst, wenn ich mich auch nicht kritisch gegenüber der Opposition und der vielen protestierenden Bürger äußern würde. Denn schließlich ist „lex Tusk" nicht das erste Gesetz, das gegen die Verfassung und internationale Verpflichtungen verstößt. Seit einem Jahr diskriminiert der Bildungsminister per Verordnung 55.000 Schüler aus deutschen Familien, denen er zwei der drei Stunden Minderheitensprache pro Woche wegnimmt, auf die alle anderen nationalen Minderheiten Anspruch haben. Ab Ende 2021 protestieren wir auf allen Ebenen und bitten um Unterstützung, indem wir auf das Ausmaß des Gesetzesverstoßes hinweisen. Als Zeichen des Protests haben Rafał Bartek und ich unsere Arbeit im Beratungsgremium des Premierministers, der Gemeinsamen Kommission der Regierung und der nationalen Minderheiten, ausgesetzt.

Es ist gut, dass sich die anderen Mitglieder dieses Gremiums mit uns solidarisch zeigen. Es ist gut, dass die Oppositionsabgeordneten im Sejm und im Senat gegen die Kürzung der Subventionen für den Minderheitensprachunterricht gestimmt haben. Und doch kann ich nicht sagen, dass außerhalb der deutschen Minderheit selbst besonders stark und wirksam für die Rechte deutscher Kinder protestiert wird. Juristen oder die Medien erwähnen diese Diskriminierung nur selten in ihren Reden und viele unserer Mitbürger sehen in dieser Situation kein Problem.

Die Autokratie wächst allmählich und überschreitet mit kleinen Schritten weitere Grenzen. Zuerst die Verletzung der Rechte von kleinen Gruppen. Und dann vielleicht die Macht über die Wahlen, also die Möglichkeit jedweder Veränderung. Gesetzesverstöße müssen immer im Keim erstickt werden, auch wenn sie uns nicht persönlich betreffen.

Bernard Gaida

 

Photo: www.canva.com
Skip to content