Erst kürzlich erlebten wir einen Brand in einem von Slowaken bewohnten Dorf, die dabei ihre Häuser verloren haben. Um ihnen zu helfen, wurde eine Geldsammlung angeregt. Wir engagieren uns immer, wenn unsere Nächsten betroffen sind – und jede nationale Minderheit steht uns in irgendeiner Weise nahe. Ich hoffe, dass unser Aufruf zu einer echten Hilfe geworden ist. Doch es ist nicht viel Zeit vergangen und wir fühlen nun wieder einmal die Nähe zu Menschen, die vom Schicksal schwer getroffen sind. Menschen in einem wohlhabenden Land, zugleich aber auch solche, die uns nahestehen. Auf unterschiedliche Weise: In den beiden am stärksten betroffenen Bundesländern leben Hunderttausende von Schlesiern, oft Mitglieder unserer Familien, aber auch, wenn wir nicht verwandt sind, teilen wir dieselbe Kultur, Sprache und Geschichte. Die Grenze und auch davor der „Eiserne Vorhang“ haben dies nie durchbrochen. Wenn ich die Orte aufzählen sollte, an denen Verwandte und Freunde leben, die mehr oder weniger betroffen sind, dann wären es viele. Am Sonntag erfuhr ich, dass der Wasserstand in Cochem stellenweise unglaubliche 8 Meter erreicht hatte, dass Freunde in Guttentags Partnerstadt Haan und vor allem in Gruiten in Gefahr waren. Am Sonntagabend tauchten in dieser Liste Ortsnamen aus Bayern auf. Wohlhabende Orte – aber was bedeutet das schon, wenn das Wasser ein ganzes Haus wegreißt oder geliebte Menschen tötet. Die extreme Unsensibilität von Armin Laschet, der hinter dem Rücken von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während dessen Rede lachte, ändert nichts daran, dass die Bundesregierung in wenigen Tagen ein milliardenschweres Hilfspaket für die Kommunen und die betroffenen Menschen auf den Weg bringen wird. Das Geld wird den Menschen helfen, wieder auf die Beine zu kommen, aber es wird nichts daran ändern, dass man manchmal im Alter noch einmal ganz von vorne anfangen muss, dass man plötzlich kein einziges Foto mehr von seinen Eltern, Kindern oder Enkeln hat, dass Erinnerungsstücke an die Vorfahren verschwunden sind, dass Wissenschaftler ihr Lebenswerk verloren haben und Schriftsteller das Buch, dem sie die letzten zwei Jahre gewidmet haben. In einer solchen Situation ist es für einen anderen Menschen einfacher zu helfen, als wie es selbst für die beste Regierung wäre. Schauen wir also auf die Handlungen, die sich ergeben und auf uns selbst, um mit etwas zu helfen, das dort plötzlich notwendig ist, ein Witwenpfennig, ein Gespräch, ein Brief, ein Buch oder ein Gebet, das wir oft vergessen.
Bernard Gaida