Es gibt wohl keine Zeit im Jahr, die so erfüllt wäre von Traditionen wie Ostern. Sie tragen in sich religiöse Inhalte, die mit der Auferstehung Jesu und seiner Leiden und der Kreuzigung zuvor verbunden sind – aber auch eine allgemeine Botschaft der Geburt neuen Lebens, verbunden mit dem Frühlingserwachen. Diese Inhalte sind miteinander vermischt, was immer bewiesen hat, dass man Religion nicht auf den Kirchenraum begrenzen und sie als verstecktes, privates Bekenntnis des Menschen betrachten kann.
Es verlangte immer danach, auf die Felder zu gehen, um an Karfreitag mit einem Gebet um Wohlergehen auf den Lippen zu kreuzeln, also Kreuze in die oft noch gefrorene Erde zu stecken oder ein gemeinsames Gehen zu einer Quelle, um an Karsamstag dort das Gesicht zu waschen. An Gründonnerstag verstummen in den Kirchen die Glocken und geben ihre Aufgabe an die Ratscheln ab, um dann mit noch mehr Kraft und „neuem“ Klang am Ostersonntag die Freude der Auferstehung zu verkünden. Die Symbole des Eises, ebenso die des Wassers und des Lichtes ergänzen sich. Die Freude der Glocken, aber auch die der Kinder, die Eier suchen, das freudige Quietschen der Mädchen, wenn sie mit Wasser oder eleganter mit Parfum vom männlichen Teil der Familie und der Nachbarschaft bespritzt werden, sind so anders als die gerade zu Ende gegangene Fastenzeit.
Viele Kirchen bemühen sich, damit das Fest der Auferstehung auch ein Sonntag der Heiligen Taufe ist, als geistliche Geburt zu begehen. Diese Dichotomie des Lebens erlebt man vor allem im Heiligen Land, wo sich am Jordan, der durch die Wüste strömt, Pilger aus aller Welt versammeln, um im Wasser, das gar nicht so kristallklar ist, aber spürbar Leben in die vertrocknete Landschaft bringt, einzutauchen. Dort erlebt man mit einer gewissen Überraschung, dass das Heilige Grab gleichzeitig „der Ort“ der Auferstehung ist, an dem in stundenlangen Schlangen Tausende Menschen warten. Ob sie nun eher das Grab Jesu oder den vom Auferstandenen verlassenen Ort erleben wollen, hängt von jedem einzelnen Pilger ab. Von seinem Glauben an die Worte: „Der Herr geht dir immer voraus, er geht immer vor dir. Und mit ihm beginnt das Leben immer neu.“
Dabei helfen gute Traditionen, die nicht aus dem tieferen Sinn herausgerissen wurden, die Integrität des Glaubens und des gesellschaftlichen Lebens zu wahren. Sie erfüllen noch mehr den Menschen. Ihre Pflege lehrt, sich zur konkreten Angehörigkeit und Herkunft zu bekennen. Ohne politischen Opportunismus. Wie wichtig diese Fähigkeit ist, erfahren wir u. a. bei der Volkszählung, die danach durch trockene Formeln fragt.
Bernard Gaida