Rede von Rafał Bartek, Vorsitzenden des VdG, während der 29. Wallfahrt der Nationalen und Ethnischen Minderheiten zum St. Annaberg

Rede von Rafał Bartek, Vorsitzenden des VdG, während der 29. Wallfahrt der Nationalen und Ethnischen Minderheiten zum St. Annaberg

Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Pilger

Es ist schon wieder ein Jahr rum, seitdem wir uns hier auf dem heiligen Berg, bei unserer Großmutter Anna, getroffen und Hoffnung geschöpft haben. Vor einem Jahr, wo wir hier waren, dauerte die Diskriminierung der Kinder der deutschen Minderheit an und es standen vor uns zwei sehr wichtige Wahlen an – Parlamentswahlen im Herbst 2023 und Selbstverwaltungswahlen im Frühjahr dieses Jahres. So gesehen kann man sagen, dass vieles, was mit unserer Volksgruppe verbunden ist, war vor einem Jahr sehr sehr ungewiss und unsicher. Heute wissen wir aber, dass wir wieder zuversichtlich und mit Hoffnung in die Zukunft schauen können. Der Heilige Augustin hat mal gesagt: „Solange du kämpfst, bist du ein Sieger“ und genau mit diesem Motto ist das vergangene Jahr für unsere Gemeinschaft verlaufen.

Bei der Parlamentswahl am 15. Oktober vergangenen Jahres wurde zum ersten Mal in der Geschichte Polens nach der Wende von 1989/1990 kein Vertreter der deutschen Minderheit in den polnischen Parlament gewählt. Es war für uns ein herber Rückschlag, aber gleichzeitig haben wir uns gefreut, dass es in Polen zu einer demokratischen Wende gekommen ist, und dass auch in der Politik gegenüber den Minderheiten nun neue Töne zu erwarten sind. Erste klare Anzeichen dafür haben wir schon mit der Rücknahme der diskriminierenden Verordnung für die ca. 60 Tausend Kinder der deutschen Minderheit. Ein anderes Zeichen dafür ist auch die Berufung eines Beraters des Sejmmarschalls für nationale und ethnische Minderheiten. Es ist für uns eine umso größere Freude, da zu diesem Berater auf die Bitte alle in Polen lebenden Minderheiten unserer langjähriger Abgeordneter der deutschen Minderheit- Herr Ryszard Galla berufen wurde.

Die Selbstverwaltungswahlen vom 7. April haben uns wiederum gezeigt, dass wir als Gesellschaft immer noch im Stande sind, auch politisch neue Wege zu beschreiten und auch erfolgreich zu sein.

Heute hier auf dem Sankt Annaberg heißt es, für das Vergangene zu danken und für das Kommende wieder Kraft und Zuversicht sammeln. Wir wissen, dass unabhängig von den Wahlen, von den Entscheidungen, die andere treffen, am wichtigsten bleiben unsere Entscheidungen, was die Pflege der deutschen Kultur und Sprache angeht. So war es auch eine große Freude des letzten Jahres, dass wir mit der Eröffnung eine katholischen Kindergarten mit dem Unterricht Deutsch als Minderheitensprache in Chronstau in Absprache mit dem Orden der Mägde Marien Schwestern neue Wege beschreiten konnten. Heute möchten wir aber auch hier auf dem Sankt Annaberg die Ordensschwestern in unser Gebet einschließen, die gestern schwer verunglückt sind (zwei davon tödlich). Wir sind in den Gedanke bei euch liebe Schwestern und auch bei den Familien der Verunglückten.

Was die Pflege unsere Identität angeht, ist es letzten Endes immer unsere individuelle Entscheidung, wie viel Zeit und Engagement wir unseren Kindern im Hinblick auf die Pflege der Sprache, der Tradition, der Kultur schenken. Wir können immer selber über die Werte, die wir unseren Nächsten weitergeben werden, entscheiden.

So sind wir auch dankbar für solche Partnerschaften wie die mit dem BdV -Landesverband Thüringen, die wir schon seit 30 Jahren pflegen und die wir auch heute im Laufe des Nachmittags, hier auf dem Annaberg, feiern werden. Wir sind auch dankbar für die Partnerschaft mit anderen in Europa lebenden deutschen Minderheiten und freuen uns, dass mitten unter uns heute junge Gäste aus Rumänien von der dortigen deutschen Minderheit dabei sind. Wir werden die jungen Tänzer dann auch noch später in dem Zelt bei dem Pilgerheim bewundern können.

Das sind auch die Stärken, die unsere Gemeinschaft ausmachen – die Pflege der Vielfalt, die Offenheit, die Partnerschaft, aber eben auch die Fähigkeit und die Breitschaft, neue Wege zu beschreiten.

In einer Welt, die sich so schnell verändert wie es vielleicht nie zuvor der Fall war, sich wieder zu finden, wird gerade für viele Junge Menschen zum Problem. Und gerade für diese Menschen müssen wir mit unseren Werten und Traditionen als Vorbild dastehen. Sowohl unser christliche Glaube, als auch unsere deutsche Sprache und Kultur gehören zu Schlesien. Genauso gehört zu Schlesien unsere schlesische Mundart. Dafür müssen wir uns aber immer wieder aufs Neue einsetzen, um gerade der jungen Generation zu zeigen, dass es uns was Wert ist, dass es uns am Herzen liegt. Wir feiern dieses Jahr 20 Jahre Polens in der Europäischen Union und im Hinblick auf die aktuellen Krisen und Kriege in Europa und in der Welt müssen wir uns bewusst sein, dass die EU nach wie vor das größte Friedensprojekt bleibt, was die Welt kennt. Wir sind und bleiben ein Teil dieses Projektes und dafür sollen wir auch heute auf dem Sankt Annaberg danken. Ich danke euch allen, dass ihr dabei seid. Ich danke euch auch dafür, dass ihr unermüdlich die Identität, die Sprache, die Tradition und vor allem auch unsere christliche Werte pflegt und verbreitet.

Vielen Dank an den Bischofsvikar Pfarrer Peter Tarlinski für die Vorbereitung der heutigen Wallfahrt, aber auch an unseren Bischof Czaja, der die heutige Messe leiten wird.

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